Berghain oder Zwerghain?

Flower
Ich fürchte, es war keine gute Idee vom Stern, den bald 47 Jahre alten Journalisten Andreas Wenderoth mit einer Reportage über das Berghain zu beauftragen. Denn was soll der schon über diesen Club erzählen außer ein paar reißerische Geschichte über Drogen und Sex, Drogen und Sex, Drogen und Sex? Obwohl ... eigentlich sind das ja genau die Geschichten, die der Stern gerne in seinem Heft hat. Also aus Stern-Sicht doch die richtige Entscheidung. Aus Sicht eines voyeuristischen Lesers ... vertretbar. Nur die, die das Berghain auch von innen kennen, dürften lachen und weinen zugleich.
Leider gibt es die Berghain-Reportage nur in der gedruckten Ausgabe, nicht im Netz. Um so richtig mitreden zu können, müsste man sich also den Stern vom 23. Februar 2012 besorgen. Aber vielleicht auch besser nicht. Denn eigentlich lässt sich das alles in drei Sätzen zusammenfassen: Das Berghain ist der berühmteste Club der Welt, wird der Reporter nicht müde zu betonen, so, als müsste er seinen Chefs gegenüber rechtfertigen, warum es die Reportage ins Heft geschafft hat. Auch wenn er anderes behauptet, wirkt seine Reportage so, als wäre er entweder gar nicht selbst drin im Berghain gewesen oder nicht besonders lange, weshalb er sich auf drei Mittzwanziger stützt, die ihm ausgiebig von ihren Exzessen erzählen, die er, der Reporter, gar nicht mitbekommen hat. Nicht einmal die für viele gelegentliche Berghain-Besucher so wichtige Begegnung mit dem Türsteher wird hier genauer geschildert. Hat es sie etwa gar nicht gegeben? Ist der Reporter gar mit „offizieller Genehmigung“ der Betreiber hineingelangt? Das wäre ziemlich ungewöhnlich. So eine Genehmigung gibt es nämlich eigentlich nicht.
Erwähnenswert ist sicherlich noch die wunderschöne Stern-Grafik, die die Architektur des Berghains auseinandernimmt, als wäre es der Führerbunker - und so, wie beim Führerbunker immer schön angezeigt wird, wo genau der Chef sein Ende fand, scheint die Aufgabe der Grafik darin zu bestehen, die genau Lage der Darkrooms zu benennen. Bin schon gespannt, wann die ersten durchs Berghain stolpern, in ihren Unterhosen, wie beschrieben, die Drogen, in ihrer Hand als Richtungshilfe die ausgerissene Zeitschriften-Seite.
Um Andreas Wenderoths Klischees noch ein wenig mehr auseinanderzunehmen: Der DJ steht natürlich „wie eine Gottheit“ am Pult. Das Berghain ist selbstverständlich „ein Ort mit eigenen Regeln“. Die absurdeste Geschichte aber, die sich im ganzen Artikel findet: Es ist von einem Kokser die Rede, der sich beim Koksen durch einen zusammengerollten Geldschein mit dem AIDS-Virus infiziert habe. Dagegen hört sich die von der miauenden Frau, die in einer Pissepfütze liegend masturbiert, schon fast seriös an. Ach ja, auch das sind wohl Geschichten vom Hörensagen.
Im Forum der Berghain-Seite ist all das auch schon Thema, auch dort ist man sich einig, dass jetzt jeder mitreden kann über das Berghain und die Drogenhölle und darüber, dass da Schwule und Nichtschwule miteinander feiern. Es gipfelt in dem Wunsch, diesen im Stern beschriebenen Club mal kennenlernen zu wollen - scheint ein guter zu sein! Von den „normalen“ Lesern des Sterns merkt sich der ein oder andere vielleicht auch noch den Namen des erwähnten DJs, Ben Clock, den vom Türsteher kennt ja mittlerweile die ganze Welt. Eltern dürfen sich Sorgen um ihre Kindern machen - kein Witz: habe gerade von einer Frau gehört, die Angst hat, dass ihre zehnjährige Tochter demnächst das Berghain erkunden will. Und Harald Schmidt und der zotige Klaas haben sich auch schon auf halbwegs peinliche Weise über den Club und den Stern-Artikel lustig gemacht. Mir egal. Dem Berghain wohl auch. Apropos: Gibt’s eigentlich noch das Zwerghain?