Jessy Lanza zieht das Haar zurück

Flower
Was genau verbirgt sich hinter der musikalischen Schublade Future R’n’B? Das lässt sich leichter erklären, wenn man die Musik selbst erst einmal hört. Aber das geht ja jetzt nicht. Also nicht gleich. Also widme ich mich lieber sofort dem Debütalbum der kanadischen Sängerin Jessy Lanza. „Pull My Hair Back“ heißt diese Platte.
Der Gesang hat Soul, aber die Musik selbst hat mit Funk und Disco und Soul, wie wir sie von früher kennen, nichts zu tun. Es ist elektronische Musik, sie arbeitet mit Effekten und mit Beats, baut ein futuristisches Gebilde rund um den Gesang. Ein spärliches Gebilde. Eine Grauzone entsteht, man ist sich beim Hören gar nicht mehr sicher, ob man noch einen echten Song oder eben Geräusche und Effekte, Klänge hört.
Schuld daran ist Jeremy Greenspan, den man als Teil des kanadischen Duos Junior Boys kennt. Greenspan hat dieses Debüt von Jessy Lanza produziert und die Musik dabei so angeordnet, dass erstens Lanzas Stimme nicht untergeht inmitten von zu aufdringlichen Synthie-Klängen oder zu kräftigen Bässen. Und zweitens die Beats so klar und minimalistisch angeordnet, dass eine klare Ordnung entsteht. Popmusik mit einem experimentellem Dreh, bei der am erstaunlichsten ist, mit wie wenig die beiden da durch kommen. Nicht wenig Können, sondern wie wenig Veränderungen in Sounds und Strukturen. Ist das nun kalte oder warme Musik? Das dürfte jeder anders beurteilen. Für mich ist das kalte und warme Musik zugleich (wenn man denn an Temperatur von Musik glaubt) – und genau deshalb finde ich sie spannend.