Und wie war's auf der Nova Scotia Music Week?

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Mit Techno hat die Nova Scotia Music Week, ein kleines, aber feines Musikfestival in der kanadischen Provinz Nova Scotia (Neuschottland) gar nichts zu tun. Jedenfalls so gut wie gar nichts - es gab immerhin den Auftritt der „Scientists of Sound“, einem Duo aus der Hauptstadt Halifax, das sich zwischen MSTRKRFT und Daft Punk bewegt. Und es gab bei der abschließenden Preisverleihung auch einen Award für „Electronic Recording of the year“ (Gewinner: Rich Aucoin für seinen Track „We’re all dying to live“) und einen für „DJ of the year“: AA Wallace. Ansonsten: Gitarrenmusik, wohin das Auge und das Ohr reichen. Folk. Indie. Rock. Country. Aber das muss ja nicht zwangsläufig schlecht sein. Und vor allem lässt es einen nachdenken, mich jedenfalls.
Es ist nämlich so: In Nova Scotia, diesem schmalen Streifen direkt an der Atlantikküste, der näher an England als an der anderen Seite Kanadas liegt, wohnen nicht einmal eine Million Menschen. Aber so gut wie jeder von denen scheint ein Instrument zu spielen und viele machen das so gut, dass sie von einer Karriere als Musiker zumindest träumen dürfen. Vor allem jetzt, wo Bands wie Mumford & Sons zeigen, dass mit so einer Art von Musik viel Geld verdient werden kann. Vier Tage lang jedenfalls spielten fast einhundert Bands in einer klitzekleinen Stadt namens Liverpool, die erstens wie der berühmte Namensvetter in England an einem Fluss namens Mersey angesiedelt ist und von der es zweitens nicht weit nach East- und West-Berlin ist. Kein Scherz, möchte ich hier am liebsten schreiben, bin mir aber sicher, dass die Kanadier es auch lustig meinten, als sie hier ihr geteiltes Berlin schufen.
Knapp einhundert Bands und Musiker also, leise und laute, gute und weniger gute, spannende und weniger spannende. Nur ein paar Namen, die mir im Gedächtnis geblieben sind: Die Kestrels. Die Cousins. Acre And Acre. Tim Crabtree. Mo Kenny. Ben Caplan. Paper Beat Scissors. Carleton Stone.
Und noch ein paar Sachen, die ich wichtig finde und die dieses kleine Festival richtig gut gemacht hat: Die NSMW ist ein Showcase-Festival, bei dem die Bands nur jeweils eine halbe Stunde spielen, offen für jeden, aber vor allem für Vertreter des Musikbusiness gedacht, die so möglichst viele Musiker sehen können sollen und sie dann vielleicht auch für Touren etc. buchen. Am ersten Abend jedenfalls konnte man bowlen und gleichzeitig Bands sehen. Zwei Tage später: Musiker, die man sonst vielleicht nur mit ihren (lauten) Bands kennt, treten alleine auf, im Singer-Songwriter-Stil, nur mit Gitarre. Und dann gab es auch noch eine Art „Speeddating“ für die kanadischen Musiker, bei denen sie jeweils fünf Minuten auf kleine Gruppen deutscher und später auch englischer Musikjournalisten und Musikbusiness-Vertreter trafen. Eine Art Schnellkurs, um den Schritt aus Kanada nach Europa schneller oder überhaupt zu schaffen.
Und das alles direkt am Atlantik, in echt krasser Landschaft, so schroff und schön, dass man unweigerlich ans Auswandern denkt. Mein ganz persönliches Highlight: Dieses kanadische Liverpool ist die Heimatstadt von Hank Snow, einem Country-Musiker, der nicht nur durch die deutsche Country-Band Truckstop („Ich möcht so gern Dave Dudley hörn, Hank Snow und Charlie Pride ...“) nicht mehr aus meinem Kopf gehen will. Hank Snow hat hier jedenfalls ein eigenes Museum gewidmet bekommen. Und da findet sich, unter anderem, sein Toupet. Das gefällt mir irgendwie.