SXSW - It's all over now!

Fotografiert von Martin Böttcher
Bands ohne Ende. Karnevalsstimmung auf der Kneipenmeile. Wenig Schlaf. Viel Tex-Mex-Food. Businesshotels, die zu Clubs werden. Super-Konzerte vor fünf Zuschauern. „Wo bist Du?“ Und wo bin eigentlich ich? Ein paar Momentaufnahmen von der SXSW. Vier Buchstaben, hinter denen sich ein riesiges, und eines der wichtigsten Musikfestivals plus Messe plus Konferenz verbirgt : South By Southwest Music in Austin, Texas. Nicht zu verwechseln mit der SXSW Interactive und SXSW Film, die nämlich sind gerade zu Ende gegangen, wenn es mit der South By Music losgeht.

Es war mein erstes Mal (das erste Mal SXSW und das erste Mal Music Conference überhaupt): fünf Tage in einer Stadt im Ausnahmezustand: Fast 2000 Bands auf 80 offiziellen und etlichen inoffiziellen Bühnen. Spontane Konzerte auf dem Bürgersteig , Diskussionen und Business-Talks – na ja, eben Festival und Messe und Konferenz.

Weil mir das nicht ganz klar war, ich es aber spannend finde, hier eine kurze Erklärung, wie das alles so vor sich geht. Das wichtigste: The Badge, der Ausweis, der einen, theoretisch zumindest, in alle Konzerte, zu allen Diskussionen, Reden und Vorträgen und in Plattenbörse, Gitarrenausstellung und so weiter hineinbringt. The Badge kostet 750 Dollar, Journalisten können unter Umständen einen für umsonst abstauben.

2000 Bands und Dutzende Diskussionen in fünf Tagen bedeuten zwangsläufig: Niemand kann alles sehen. Ich auch nicht, dazu kam auch noch, dass ich für verschiedene Zeitungen und Radiostationen Beiträge von der SXSW machen konnte. In einer mathematischen Gleichung heißt das: Musik plus Arbeit plus verlorenes Gepäck plus technische Schwierigkeiten gleich wenig Schlaf plus nicht so viele Bands.

Was die Bands angeht: Weil die Initiative Musik (eine Einrichtung der Bundesregierung, die Popmusik aus Deutschland fördert) sich dieses Jahr ziemlich engagiert hat, konnten vierzehn Bands aus Deutschland bei der SXSW auftreten. Man fährt hier nämlich nicht so einfach hin: Man muss angemeldet werden, selbst bei nur einem einzigen Auftritt werden vor der Einreise 2000 Dollar Auftrittsteuer fällig, man muss wohnen, herfliegen, die Instrumente rüberschaffen. Und Austin ist noch mal eine ganze Ecke weiter weg von Deutschland als New York.

Ich habe vier deutsche Bands live in Austin gesehen: Nneka, die Kilians, Matias Aguayo (siehe Foto) und Räuberhöhle. Außerdem kurze DJ-Sets von Heidi (auf dem Foto hinten) und Tobias Thomas mitbekommen. Räuberhöhle ist ein Electro-Punk-Projekt aus Berlin, sehr Casio-mäßig, aber extrem schräg. Zwischen den Songs nämlich spielt Räuberhöhle-Mastermind Krawalla (blonde lange Zöpfe, bunte gepunktete Strümpfe, pinkfarbenen T-Shirts und lustige Hopse-Tänzerin) Puppentheater. Der Laden, in dem Frau Krawalla alias Räuberhöhle auftrat, war eher eine Art Bar mit Bühne, der Soundmensch nicht besonders interessiert – und trotzdem fand ich es super, weil super-schräg.

Ziemlich professionell: Nneka, in Hamburg wohnende Hip-Hop-/Pop-/Soulsängerin mit deutschen und nigerianischen Wurzeln. Die Amis (und der Rest der Musikwelt) standen Schlange, um sie live bei einem ihrer fünf Auftritte in Austin zu sehen – sieht so aus, als würde da eine größere Karriere losgehen. Nur komisch, dass sie keine Interviews auf Deutsch geben wollte. Hängt wahrscheinlich auch mit der angepeilten großen internationalen Karriere zusammen.
Die Kilians: Tja, kann ich gar nicht so viel zu sagen. Nur soviel: Der Soundcheck dieser jungen Indie-Band dauerte gefühlte 400 Stunden zu lang. So gewinnt man hier keine Freunde.

Matias Aguayo: Was für ne coole Sau! Legt Cds mit Beats auf und singt dazu, irgendwie die perfekte Symbiose aus deutschem Technogefühl und lateinamerikanischer Lockerheit.

Tobias Thomas: Musste zuerst ohne Plattenspieler auskommen. In den USA bringt man angeblich seine eigenen Systeme mit. Vielleicht ist so zu erklären, warum er zunächst eher alte Sachen von vor vier, fünf Jahren gespielt hat. Dann wurde es sehr viel besser.

Heidi: Amerikanische DJ, die in Berlin wohnt. Und nicht umsonst so einen guten Namen hat. Die letzten drei haben übrigens auf einer echt gelungenen Veranstaltung in Austin gespielt: Der „Wunderbar – Lunch with the Germans“. Eigentlich ein Treffen für Musikbusinessleute, die mit ihren deutschen Kollegen in Kontakt treten wollten. Aber eben mit guter elektronischer Tanzmusik, Alkohol, einer Terrasse, Sonne und Essen, das zwei eingeflogene Köche der legendären Berliner Bar 25 gekocht hatten (Gurkensuppe, Buletten, Schweinebraten, Knödel, Kalbsbraten, Kartoffelpuffer und Rote Grütze). Erinnerte irgendwie an relaxte Sonntagnachmittage am Love-Parade-Wochenende im sonnigen Berlin und war vielleicht die coolste Veranstaltung der ganzen SXSW (aber, wie gesagt, ich habe ja nur einen Bruchteil gesehen).

Ansonsten: Tolle Punkband gesehen und gehört, aber ihren Namen nicht erfahren. Werde ich wohl nie wieder sehen. Ein Duo erlebt, das seinem Namen alle Ehre gemacht hat: Ferocious Few. Und eine extrem sympathische und gute Band namens Surfer Blood entdeckt und mich ein bisschen in die verliebt.
Ich sehe schon, das wird hier ganz schön lang. Also noch ganz kurz, was amerikanische Music-Business-People deutschen Bands raten, um es in den USA zu schaffen. Eigentlich ganz einfach: LANGE VOR einer Tour versuchen, über das Netz ganz gezielt Musikinteressierte aus den jeweiligen Regionen finden und von sich zu überzeugen. Mit Albumpromotion lange vor dem eigentlichen Veröffentlichungstermin anfangen. Und dann: Touren, touren, touren – nur so besteht die Chance, es zumindest ein bisschen zu schaffen. Oder so ähnlich.

Und noch eins: Wer jemals zu einer Music Conference wie der SXSW fahren sollte: Auf jeden Fall an einer der öffentlichen Demo-Sessions teilnehmen: Bands werfen vor einer solchen Veranstaltung ihre Demo-CDs in eine Kiste, wenn sie Glück (oder, je nach Perspektive, auch Pech) haben, wird ihre CD gezogen, ein Song angespielt und dann von Musikprofis aus der Branche kommentiert und analysiert. Ging sehr gesittet zur Sache, die zehn Songs, die da in einer Stunde geschafft wurden (von Techno-Pop, Folk, Hip Hop bis hin zu Metal), waren technisch ganz schön gut, aber von der Art her eher nach dem Motto „schon tausend Mal woanders so oder fast genauso gehört).

Fazit: Nächstes Mal weniger arbeiten, mehr Bands sehen, mehr Diskussionen zu Themen wie „Wie hören wir Musik im Jahr 2020?“ und „Social Media for Musicians“ mitnehmen – und das Gepäck nicht verlieren. Yeah!