Der Mann, den sie Sohn nannten

Flower
Die Musikgeschichte kennt viele Versteckspiele, Musiker, die sich hinter Masken, Pseudonymen, erfundenen Lebensläufen oder komplett in der Anonymität versteckt haben. Aber solche Vermarktungsstrategien funktionieren immer noch, und zwar umso mehr, wenn die spannende Schnitzeljagd durch gute Musik angeheizt wird. So wie im Falle von Sohn, ein mysteriöser Produzent, der schon auf sehr zurückhaltend veröffentlichten Einzelstücken und EPs mit so anspruchsvoller wie schöner Musik glänzte und der das jetzt auch auf seinem Debütalbum fortsetzt.
Hinter dem Pseudonym verbirgt sich der englische Produzent Christopher Taylor, er hat gerade sein Debütalbum mit eben diesem Titel, „Tremors“, veröffentlicht. Um den Musiker, von dem so gut wie gar nichts bekannt ist, außer dass er mal in Wien gelebt hat oder immer noch dort lebt, ist in den letzten Monaten ein echter Hype entstanden. Schuld sind seine sorgfältig arrangierten elektronischen Songs, seine emotionale Stimme, sein Popappeal. Aber wie das immer so ist mit dem Hype: viel witziges wird auf einmal über Sohn und seine Musik geschrieben und erzählt. Vor allem möchten ihn viele in eine Schublade mit dem ebenfalls gehypten Musiker James Blake stecken. Aber meiner Ansicht nach gehört er dort gar nicht hin: Sohn ist sehr viel stringenter in seinem Songwriting, seine Stimme ist viel präsenter, er begnügt sich nicht mit Stimmfetzen und geloopten Vocals, sondern vereint zugänglichen Pop mit komplexen Strukturen. Das ist nicht zwangsläufig besser oder schlechter, aber eben anders. Dazu kommt noch: Sohn feiert mit und in seinen Songs große Dramen! Auf Albumlänge, vor allem, wenn man selbst gerade etwas dünnhäutig ist, wächst sich das schnell zum Melodram aus. Aber dafür gibt es ja noch immer die Pausentaste! „Tremors“ also heißt das Album – Zittern. Und um dieses Zittern richtig zu spüren, empfehle ich gute Boxen oder gute Kopfhörer, auf jeden Fall aber eine gehörige Portion Lautstärke.