DJ Ipek - nicht gerade "your average DJ"

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Typisch deutsch, typisch türkisch, typisch Mann, typisch Frau – wenn man mit Ipek Ipekcioglu spricht, wird einem schnell bewusst, wie albern solche Kategorien eigentlich sind: Die Deutsch-Türkin ist – unter anderem - DJ, Lesbe, Muslimin, Politaktivistin, Sozialarbeiterin. Musikproduzentin. Ich traf DJ Ipek in Berlin (für das Deutschlandradio Kultur) und fing an, über mich selbst nachzudenken. Ob das gesund ist? Zum Glück konnte ich auch noch über Ipek nachdenken. Wäre auch wirklich schade gewesen, wenn ich das nicht gemacht hätte.
„Am Anfang war ich ein besonderer DJ, ich war die erste, die in deutschen Clubs Ethno gespielt hat, türkische und arabische Musik aufgelegt habe. Inzwischen gibt es mehr solcher DJs, aber was mich immer noch besonders macht: Dass ich alles miteinander mische, das gehört zu meiner Identität.“
Sag bloß nicht Weltmusik, wenn du mit Ipek Ipekcioglu alias DJ Ipek über Musik redest. Weltmusik, das ist das, was im Plattenladen ganz hinten in der Ecke steht. Oriental, Electro, Pop und Techno – das sind Begriffe, mit der man Ipek, Jahrgang 1972, kommen kann. Seit über 15 Jahren ist sie mit dieser Mischung als DJ in der halben Welt unterwegs – angefangen hat alles in Berlin-Kreuzberg.
„Es war, glaube ich, am 24.12. 1994 – da habe ich das erste Mal aufgelegt. Stand im SO36, als der Booker kam und mich frage: ‚Bist du türkisch, bist du lesbisch? Kannst Du bei uns auflegen?‘ Ich habe meine Tapes vorbereitet, dann habe ich angefangen aufzulegen, bis 8 Uhr morgens.. So kam ein neuer DJ auf die Welt.“
Seit zehn Jahren kann Ipek vom Auflegen leben. Sie hat ihre Nische gefunden, sie ist unverwechselbar, sie hat damit geschafft, was jeder ernsthafte DJ anpeilt. Geboren in München, aufgewachsen in der Türkei, dann nach Berlin gezogen, um hier zu studieren. Sie passt sie in keine Schublade. Möchte in keine Schublade passen. Sondern, wenn schon, in viele.
„Also ich bin türkisch-arabisch-kurdisch, eventuell sogar jüdisch, hieß es neulich in der Familie. Aber ich bin türkisch aufgewachsen, fühle mich nicht kurdisch oder arabisch oder jüdisch. Ich sage aber nicht, ich bin Türkin. Ich sage: Ich komme aus der Türkei.“
Mal bindet sie sich DJ Ipek ein Kopftuch um, wenn sie hinter dem Mischpult stehen, mal verkündet sie per T-Shirt-Spruch „Don’t panic, I’m islamic!“ Sie hat einen deutschen Pass und, wenn man Halbbrüder und –Schwestern dazu zählt, 17 Geschwister. Und sie erzählt jedem, ob der es nun wissen will oder nicht, dass sie lesbisch ist. Islamisch und lesbisch ? Etliche Male schon durfte sie die Frage beantworten, wie das in der Familie ankam, was der türkische Großvater dazu sagte. „Ich kam mit meiner damaligen Freundin in der Türkei an. Am Abend fragte er mich: I’pek, Du bist doch Studentin, wofür brauchst Du ein Auto? Schleppst Du damit Jungs oder Mädels ab?’ Mein Großvater im Alter von 75 Jahren kommt auf so eine gewiefte Frage! Und dann sagte er: ‚Ipek, es passt weder zu unserer Religion noch zu unserer Kultur, aber wir lieben Dich.‘
Ist die Frau mit den dunklen Haaren und dem Seitenscheitel eine typische Türkin? Deutschtürkin? Eine typische Berlinerin? Und wie spießig ist man eigentlich dass man sich darüber überhaupt Gedanken mache? Fragen, die einem im Laufe eines Gesprächs mit Ipek Ipekcioglu durch den Kopf schießen. Es ist es nicht so, dass man sie vom ersten Augenblick ins Herz schließen möchte. Sie hat etwas dickköpfiges und businessmäßiges an sich, wirkt freundlich, aber distanziert. Und bestimmt kann man sich herrlich mit ihr streiten. Aber wenn sie von ihrem Leben und ihren Vorstellungen erzählt, purzeln die Klischees reihenweise. Viel freier und selbstbestimmter als die Enddreißigerin kann man kaum lebe:. „Für mich ist Berlin ein Meer voller ein Meer mit vielen, vielen Gesichtern. Will ich Lesben, geh ich zur Lesbenszene, will ich SM, gehe ich dahin. Will ich türkische Künstler, linksradikale, alles ist da. Und es gibt Überschneidungen, früher gab’s die nicht.“
Ipek Ipekcioglu - DJ, Lesbe, Muslimin, Politaktivistin, Sozialarbeiterin. Musikproduzentin. Seit Jahren in all diesen Funktionen in Berlin, in Istanbul und weit darüber hinaus unterwegs. Wenn sie einen Wunsch frei hätte, dann den: Dass es drei Ipeks gibt. Eine private, eine Musikerin und eine, die alles organisiert. Aber auch so, wie es jetzt ist, ist eigentlich alles in Ordnung. „So lange die Leute mich buchen, will ich auch mit 60 auflegen.“