Als ich einmal der bekannteste Tätowierer Österreichs war

Flower
Zum Glück habe ich dieses Foto gefunden. Das da auf der rechten Seite. Aufgenommen hat es Rob Kern, der die mitunter ziemlich unterhaltsame Seite „From Out Of Nowhere“ am Laufen hält. Aber es soll hier nicht um Rob gehen, sondern um Katzen, die Frau auf dem Foto. Nicht schwer zu erraten, warum sich Katzen, die als lebendes Gesamtkunstwerk herumläuft, so genannt hat. Aber wie kam es, dass sie mich einmal einen Abend lang für einen Tätowier-Kollegen aus Österreich hielt? Bzw. sogar für den besten Tätowierer Österreichs?
Schuld daran waren drei Dinge: Alkohol, ich und mein Kumpel Jon. Jon ist Ami, er wohnt in Austin, Texas, und als ich ihn vor Jahren dort besuchte, schleppte er uns durch Austins 6th Street - eine Kneipenmeile. In einer der Bars war ein spezieller Swing-Tanz-Abend im Gang und Katzen, die ich vorher noch nie gesehen hatte (wäre mir, glaube ich, aufgefallen) war auch dort. Sie war, wenn ich mich recht erinnere, nüchtern. Wir nicht. Aber das merkte man nicht sofort. Jedenfalls hatte ich zuvor noch nie eine Frau bzw. ein Mädchen so um Mitte 20 gesehen, das so krass im Gesicht tätowiert war wie sie. Genau genommen hatte ich bislang nur eine Handvoll Menschen gesehen, die überhaupt oberhalb des Halses tätowiert waren. Meist waren das Knackis oder Punks und meist beschränkte es sich auf einen Punkt oder eine Träne und nur einmal lernte ich einen kennen, der hatte sich eine Art Brille verpasst, konnte aber auch nicht erklären, warum.
Katzen jedenfalls musste an diesem Abend unbedingt angesprochen werden, fand ich. Jon sagte, er würde das übernehmen und uns bekannt machen. Was ich nicht wusste: Auch er kannte Katzen nicht, trotzdem ging er recht selbstbewusst auf sie zu und sprach eine Weile mit ihr, dann rief er mich dazu. Es dauerte eine Weile bevor ich mitbekam, dass Jon ihr erzählt hatte, ich wäre aus Österreich und dort, in Wien, einer der besten Tätowierer. Sie hatte noch nie von mir gehört (ich auch nicht), aber schien das erst einmal zu glauben. Na ja, vielleicht tat sie auch nur so. Und ich erzählte dann vom Tätowierbusiness in Europa, wie lange ich schon dabei war, was ich für einen künstlerischen Ansatz hatte. Und sie erzählte auch. Von ihrer Arbeit als Tätowiererin in Austin, von ihrem Wunsch, am ganzen Körper tätowiert zu sein, von ihrem Mann „The Enigma“ (mittlerweile wohl ihr Ex-Mann), den man vielleicht kennt, weil er mit seinen am ganze Körper auftätowierten Puzzleteilchen auch in Deutschland in der Werbung aufgetaucht war, und sie erzählte von ihrer Vorliebe für’s Swingtanzen. Nur zwei Mal kam unser Gespräch leicht ins Stocken. Das erste Mal, als sie mich fragte, warum ich, obwohl ich doch so ein bekannter Tätowierer sei, gar keine Tätowierungen habe. Das zweite Mal, als ich darauf antwortete und sagte, das wäre Teil meines künstlerischen Konzepts, weil es erstens die Leute in ihrem Selbstverständnis erschüttern würde und zweitens mich zu etwas ganz besonderem machen würde.
Ich glaube, ab diesem Punkt in unserem Gespräch wurde es dann lockerer. Sie dachte wahrscheinlich, man müsse mir nicht mehr alles glauben. Und ich dachte darüber nach, ob ein Leben als professioneller Hochstapler wünschenswert und möglich sein könnte. Schließlich tanzten wir auch noch kurz Swing miteinander, was sie natürlich besser konnte als ich, weil es für mich das erste Mal war.
Nach fünf Minuten gaben wir auf. Eine Art Happy End gab es trotzdem: Als meine Truppe weiterziehen wollten und ich mich von Katzen verabschiedete, gab ich zu, gar nicht aus Österreich zu sein. Sondern aus Berlin. Und auch nicht der beste Tätowierer, genau genommen eher gar kein Tätowierer. Ich wurde mit Umarmung entlassen.