"And then I became Berufsverbot ..."

Quelle: Promo CDU
Wer noch mehr Anreiz (als auf dem Foto) braucht, um weiterzulesen: Diese Geschichte verbindet Fremdschämen, Brüste und hysterisches Lachen. Und es ist eine absolut exklusive Story aus erster Hand (ja, das heißt, dass ich sie selbst erlebt habe).

Vera L. in Durham ...

Die letzten fünf Wochen habe ich in den USA verbracht, ich war als so genannter Media Fellow Teil einer internationalen Journalistengruppe an der Duke University in Durham, North Carolina. Duke ist eine Elite-Uni (und wer in Deutschland an einer staatlichen Uni studiert hat, dem sei gesagt: Das ist so ziemlich das Gegenteil davon). Duke hat Geld bzw. nimmt von seinen Studenten ziemlich viel Geld, vergibt aber auch viele Stipendien an vielleicht nicht so begüterte, aber begabte Studenten. Ich könnte hier noch lange über Für und Wider in Sachen private Elite-Unis schreiben, aber darum soll es ja nicht gehen. Nur so viel: Ich fand es gut und schwierig zugleich.

An einen Abend werde ich mich allerdings noch lange erinnern. Ich habe gelacht und mich aufgeregt, war fassungslos und habe mich geschämt, das alles mehrmals innerhalb einer Stunde. Warum? Vera Lengsfeld war zu Gast an der Duke University. Genau, die Vera Lengsfeld, die versucht hat, mit Hilfe ihres Dekolletés als Direktkandidatin in den Bundestag einzuziehen (und die damit gescheitert ist). Als ehemalige Bürgerrechtlerin, Runde-Tisch-Sitzerin und ausgewiesene DDR-Oppositionelle, die nach der Wiedervereinigung in den Bundestag einzog, als Politikerin, die erst für das ostdeutsche Bündnis 90 und dann für die CDU antrat, als Frau, die zu DDR-Zeiten von ihrem Ehemann bespitzelt wurde und das aus ihrer Stasi-Akte erfuhr, ist Vera Lengsfeld auf dem Papier ein sehr interessanter Gesprächspartner. Und als solche – und vor allem als „distinguished speaker“ - wurde sie dann auch angekündigt, am 2. November 2009 im Auditorium des Fitzpatrick Center an der Duke University – „Freedom Without Walls“ hieß die Reihe, innerhalb derer sie sprechen sollte.

Der langweiligste Vortrag der Welt?

Vielleicht also ein aufschlussreicher, interessanter Abend? Man weiß ja: 20 Jahre Mauerfall, Geschichten aus erster Hand von Stasi und Opposition, das ganze Paket eben, vorgetragen fern der Heimat. Und dann das: Eine Vera Lengsfeld, die aus meiner Sicht einen extrem uninspirierten, vielleicht sogar den langweiligsten und uncharismatischsten Vortrag überhaupt zum Thema lieferte. Vollgepfropft mit aktuellem parteipolitischem Kleinklein zu SPD und Linkspartei, ohne Gespür für ihre Zuhörer (Studenten, Lehrpersonal und andere, die vor allem wegen der Aussicht auf gelebte Geschichte gekommen waren). Absolut trocken, unfokussiert, humorlos. Es gibt einen kleinen Ausschnitt dieser Rede, in leider sehr schlechter Qualität.

Warum so aufgeregt?

Es dauerte eine ganze Weile, bis ich mir selber erklären konnte, warum mich das so aufregt hat. Mich regt nämlich sonst so gut wie gar nichts auf und eine Vera Lengsfeld, egal wie langweilig und spröde sie reden und wirken mag, geht mir erst recht komplett überall vorbei. Dachte ich zumindest. Aber dieser Abend, das waren anderthalb Stunden, in denen man so ziemlich alles, was derzeit an politischer Kultur in Deutschland im Argen liegt, mitten ins Gesicht geschleudert bekam.
Da steht also eine Frau, die Wende und Mauerfall miterlebt hat, „hautnah“, wie man so unschön sagt. Und sie erzählt davon absolut distanziert und theoretisch und furchtbar mit anzuhören. Sie verliert sich in absolut uninteressantem Zeug, sie lästert über die SPD und die Linke, über Berlins Bürgermeister Wowereit und über deutsche Journalisten. Sie liest vor, furchtbar stockend und mit grässlichem Akzent. Wörter, deren Bedeutung sie offenbar nicht kennt, Wörter, die sie noch nie zuvor gehört zu haben scheint (ich weiß nicht, ob sie den deutschen Ursprungstext ihrer Rede selbst geschrieben hat, übersetzt hat ihr den Text jedenfalls der Lyriker und Autor Christophe Fricker, der an der Duke University als Germanist tätig ist und gerade erst in der „Zeit“ Rede und Antwort stand - an ihm hat es sicherlich nicht gelegen). Vera Lengsfeld ist übrigens Fan von Hendryk M. Broder und schreibt auf ihrer Homepage: „Wer Broders spitze, aber treffende Kommentare kennt, weiß, wie Journalismus sein muss“. Man möchte ihr zurufen: „Dann nimm dir gefälligst ein Beispiel, lass uns mal was von Deinem Wortwitz spüren und versuche zumindest ansatzweise, ein wenig Charisma zu versprühen!“ Aber im direkten Gespräch wird es ja noch schlimmer!

I became Berufsverbot!

Denn im anschließenden Q&A, dem Frage- und Antwortspiel, das die Amis auch bei Vorträgen so lieben, redet sie frei und noch größeren Unsinn als zuvor. Mein Lieblingssatz an diesem Abend: „I became Berufsverbot“. (Kurzer Zwischenwitz: Geht eine Politikerin in Durham, North Carolina, in ein Restaurant und bestellt ein Steak. Sie muss lange warten und fragt schließlich den Ober: "When do I become a steak?" Die Antwort: "I hope never, ma‘am!")

Sprachen kann man oder kann man nicht, da gibt es keine Vorwürfe zu machen, das verrät nicht viel über die Bildung und nichts über die Intelligenz eines Menschen. Aber wer sich in ein anderes Land begibt, um dort über die Geschichte seines Lebens zu sprechen, nicht nur als Privatperson, sondern als Vertreter seines Landes, der sollte sich selbst vielleicht einmal fragen, ob er dazu überhaupt in der Lage ist. Der sollte sich fragen, ob er überhaupt etwas zu sagen hat. Der sollte wissen, dass andere Länder unter Umständen sehr viel Wert auf rhetorische Fähigkeiten legen, dass es dort erwartet wird, dass man inhaltlich und als Persönlichkeit etwas vorzuweisen hat. Unterstützt wurde die Veranstaltung übrigens auch von der Deutschen Botschaft in den USA, konnte man der Einladung entnehmen. Was hat die sich eigentlich davon versprochen? Und ob man dort mitbekommen hat, was am Ende daraus wurde?

Wenn man solche Geschichten wie die von Frau L. in Durham erlebt, dann zeigt sich auch die Kritik, die der ehemalige Finanzminister Peer Steinbrück gerade bei evangelisch.de in Richtung Journaille gemacht hat ("Wenn das gesprochene Wort nicht mehr zählt, führt das zu einer Verarmung der politischen Rede in Deutschland"), in ganz anderem Licht - man würde sich ein „An-die-eigene-Nase-fassen“ wünschen.

Aber warum hat mich das nun so aufgeregt? Und regt mich immer noch auf? Vielleicht deshalb (und jetzt werfe ich sie einfach alle in einen Topf, die Politiker): Da sitzen sie also und erzählen uns allen, uns Studenten und Arbeitnehmern, uns Arbeitslosen und Führungskräften, wie wichtig Weiterbildung und internationales Denken sind, ist ja schließlich ein Wettstreit zwischen den Nationen, Globalisierung, bla bla bla. Wollen uns fördern und fordern. Und können selbst so vieles nicht, angefangen bei den Sprachen und noch lange nicht zu Ende bei den „neuen“ Medien. Und das entscheidende dabei? Sie kommen damit durch, die Westerwelles und Oettingers, Merkels und Lengsfelds. Kleinkarierte Parteipolitiker, die schon lange gar nicht mehr um die Sache streiten, sondern automatisch, reflexartig alles, was von anderer Seite kommt, ablehnen. Unmöglich für mich zu sagen, was sie antreibt, warum nur sie unbedingt in die Politik wollten. Geht es ums eigene Ego? Keine anderen Ideen? Politiker, die nicht mehr wahrnehmen, was ihr Verhalten für Reaktionen auslöst. Die so furchtbar rückständig sind, was die eigenen Ideen und Visionen für eine moderne Welt angeht.

Ich weiß, „Come off it!“, würden einem die Engländer da zurufen. Und sie hätten ja auch Recht: Wenn man sich schon aufregt, dann doch nicht über Politiker im allgemeinen und über Vera Lengsfeld im besonderen. Aber Engländer .... haben bei dieser Geschichte ja keine Rolle gespielt.