Frieden machen mit Moby

Flower
Mein Musikerlebnis 2011? In Berlin traf ich Moby, auf den er eigentlich gar nicht gut zu sprechen war – und erlebte eine Überraschung. Um es gleich vorweg zu sagen: ich und Moby haben eine On/Off-Beziehung. Oder besser ausgedrückt – weil er wohl gar nicht mehr weiß, dass ich existiere: MEINE Beziehung zu Moby ist eine On/Off-Beziehung. Erst habe ich ihn vergöttert, dann verstoßen, und jetzt … dazu gleich mehr.
Die ganz große Zeit des Richard Hall, den jeder nur als „Moby“ kennt, liegt über zehn Jahre zurück. Damals veröffentlichte er sein Album „Play“, eines, wenn nicht DAS meist verkaufte Elektronik-Alben überhaupt. Und damals – wegen „Play“ - traf ich ihn das erste Mal zum Interview – ein kleiner glatzköpfiger Mann, der schlecht gelaunt und äußerst dünnhäutig auf ganz normale Fragen reagierte. Meine Begeisterung nahm im Sekundentakt ab, am Ende lag sie im Minusbereich.
Seit diesem Interview kamen einige neue Platten von Moby auf den Markt, bessere und schlechtere, von mir eher missfallend zur Kenntnis genommen. Und vor einem halben Jahr dann ein weiteres: „Destroyed!“ Begleitet von einem gleichnamigen Fotoband – Bilder, die Moby selbst während seiner Tourneen schoss. Die Plattenfirma fragte, ob ich darüber mit Moby sprechen wollen würde? Ich wollte nicht, aber machte es trotzdem.
Moby war immer noch klein, immer noch kahlköpfig, mit angegrautem Wochenbart und seinen mittlerweile 45 Jahre. Ein Ex-Star, verblüffend ehrlich, sehr freundlich. Keine Spur zickig, eher bescheiden. Eine seiner ersten Antworten auf meine Fragen: “Ich bin ein Einzelkind und lebe allein. Ich mag Menschen, aber wohler fühle ich mich ohne sie.“
Und weiter: „Menschen gehen schon in Ordnung, aber ich fühle mich angezogen von stillen, leeren Räumen. Ein leerer Bahnhof interessiert mich viel mehr als ein voller.“
Meine Abneigung gegenüber verflüchtigte sich schnell. Dafür machte sich Mitleid breit: Der Gutmensch, Veganer und Tierfreund Moby scheint am Leben zu leiden. Seine Musik wirkt mittlerweile nichtsagend. Seine Fotos – er hat sein Publikum, Flughäfen, verlassene Straßen und Gänge aufgenommen – sprechen von einer ziemlichen Trostlosigkeit. Andererseits: Muss einem ein Millionär, der sich seinen Traum vom Popstar erfüllt hat, leid tun?
Das Reisen und Touren, erfahre ich im Gespräch, machen Moby zu schaffen – die ständigen Ortwechsel verursachen bei ihm Schlafstörungen. Spätestens an dieser Stelle habe ich meinen Frieden mit Moby gemacht. Er wird nie wieder einer meiner Helden sein, die man sich in jugendlicher Euphorie so ausguckt. Aber auch nicht das Feindbild, als das er so lange bei mir herhalten musste. Er ist jemand, mit dem ich mich gerne noch ein drittes Mal unterhalten würde – in vier, fünf Jahren etwa. Nur eine Bitte hätte ich dann: Bitte, lieber Moby, sprich dann nicht mehr über die religiöse Mystik des Sufismus:
“Die Sufis glauben, dass wir Zeit unseres Lebens niemals das wahre Glück finden können, auch wenn wir es herbei sehnen- und Kunst und Musik sollten diese Sehnsucht widerspiegeln. Ich verstehe diesen Gedanken total.“