Erinnern an Neunzehnhunderttechno



Es hilft ja nichts: Die Zeit schreitet voran, die Erinnerungen werden mindestens genauso wichtig wie das aktuelle Erleben. Habe ich selbst jedenfalls festgestellt, als ich interviewt wurde und auf die 90er und auf früher und auf Techno angesprochen wurde. Daraus ist ein Video entstanden, das man sich ansehen kann. Vielleicht noch als Ergänzung: Dennis Albrecht (aka Inventariums2022), der die Fragen gestellt hat und das Video zusammengeschhnitten hat, hat sehr viel länger mit mir geredet und die interessantesten Stellen herausgesucht. Ich kann mich an so vieles nicht mehr erinnern. Bzw. musste tief im Kopf kramen, um die Erinnerungen herauszuholen. Hat jedenfalls viel Spaß gemacht und lässt sich, glaube ich, ganz gut ansehen. In meiner eigenen Vorstellung bin ich natürlich immer noch 20, wie wahrscheinlich viele von uns. Noch so eine Erkenntnis: Selbstwahrnehmung und Kameraperspektive auch nicht unbedingt das Gleiche. Auf die nächsten 30 Jahre.


Was passiert mit Berlin und seinen Clubs?

Das Sisyphos von außen, fotografiert von Tobi AllersBerliner Clubs sind vieles. Vor allem sind sie Freiräume. Man kann dort Dinge erleben, die sonst nicht stattfinden oder die man nicht finden würde. Wenn es Clubs nicht geben würde, müsste man sie erfinden. Allerdings sind Clubs schon immer auch gefährdet. Ständig findet ein Kampf statt zwischen Clubbetreibern und Clubgängern auf der einen, Investoren, Verdränger, Gentrifizierer auf der anderen Seite. Und da sind wir schon bei Thema: Tobi Allers ist Kunsthistoriker und Stadtführer in Berlin, eins seiner Lieblingsgebiete sind die Clubs, die Menschen aus aller Welt anziehen. Und er hat jetzt ein Crowdfunding-Projekt gestartet, bei dem am Ende ein zweisprachiges Buch zum Thema herauskommen soll: Freiräume Berliner Clubkultur. Es fehlt nicht mehr viel Geld, um das Projekt zu realisieren. Ich bin jedenfalls dabei und hoffe, dass das klappt.

Klar, es ist schon viel geschrieben worden über die Clublandschaft in Berlin, auch Fotobände gibt es viele. Aber ein paar der Aspekte, die Tobi Allers näher beleuchtet, sind noch nicht so richtig erzählt worden: Clubs als Safe(r) Spaces. Warum Clubs politisch sind. Kunst im Club und der Club als Kunst. Vielfalt und Inklusion. Stadtentwicklung und Verdrängung von Clubs. Techno spielt natürlich eine entscheidende Rolle, deshalb bin ich auch dabei. Ihr vielleicht? Hier der Link zur Unterstützungskampagne. Und dann sehen wir uns beim Lesen. Oder wenn wir bei Tobi eine Tour durchs clubbige Berlin buchen. Das Foto hier vom Sisyphos ist auch von ihm.

Techno-Wikinger als Actionfigur und Anime

Gut getroffen oder auch nicht: Kultfigur im TechnoEs ist jetzt schon wieder über zehn Jahre her, dass ich das letzte Mal über den so genannten Techno-Wikinger geschrieben habe. Und ehrlich gesagt bin ich davon ausgegangen, dass sich die Geschichte langsam, aber sicher totläuft. Aber noch immer fasziniert der "techno viking". Für den eher unwahrscheinlichen Fall, dass es Leute gibt, die noch nie von ihm gehört haben: Der Techno-Wikinger ist eines der ersten Internet-Memes überhaupt, zu verdanken hat er das seinem Auftritt auf der Fuckparade im Jahr 2000 in Berlin. Damals wurde der muskelbepackte, bärtige Mann mit freiem Oberkörper bei dem Techno-Umzug, der als Gegenveranstaltung zur Loveparade gemeint ist, gefilmt, das rund vier Minuten lange Video trat danach seinen Siegeszug durch die Welt an und machte ihn praktisch überall bekannt. Zig Millionen mal wurde das angesehen, es gibt Hunderte von Parodien und Reaktionsvideos dazu. Das Ganze hat auch eine eher unschöne Seite, der Mensch, der das Video gedreht und verbreitet hatte, wurde nämlich vom Techno-Wikinger wegen Verletzung der Persönlichkeitsrechte verklagt.

Die Geschichte scheint aber wirklich kein Ende zu finden. Das Video vom Techno Viking erfährt nämlich gerade mal wieder neue Aufmerksamkeit. Das liegt an einem Youtuber namens Valar, der (angeblich mit Hilfe von künstlicher Intelligenz) eine neue Version des Films geschaffen hat – ein Anime, das auf interessante Weise die handelnden Personen verfremdet und sich nicht richtig festlegen kann, wie sie wirklich aussehen. Techno Viking und KI? Das ist neu. Und könnte bedeuten, das Künstliche Intelligenz in Zukunft auch weiterhin das ikonische Video in allerlei anderen Zusammenhängen nutzen wird, in immer neuen Verfremdungen und vielleicht auch (wir sehen das ja an ChatGPT) ganz gezielt mit anderen Dingen kombiniert.

Wirklich schön anzusehen, die animierte Version: Die reale Geschichte, die schon von Anfang an von manchen als Inszenierung verdächtigt wurde, geht einen weiteren Schritt in Richtung Fiktion. Und man kann davon ausgehen, dass das nicht das letzte Mal war, dass uns die Geschichte des Techno-Wikingers beschäftigt. Dazu passt auch, dass er und die Person, die ihm im Video ein Wasser reicht, gerade als kleine Action-Figuren veröffentlicht worden sind - siehe Foto.

Was auch spannend ist: Dass der Techno Viking nie versucht hat, den vielleicht zweifelhaften Ruhm auszukosten und zum Influencer oder ähnlichem zu werden. Auch deshalb lebt die Story wahrscheinlich bis heute weiter und wird jetzt also von neuen Generationen entdeckt. Ach ja, nach wie vor sehr interessant auch der Dokumentarfilm über die ganze Geschichte. Wer hat den gemacht? Der, der auch schon das Original-Video gefilmt hat und der laut Gerichtsbeschluss die Persönlichkeitsrechte "seines" Protagonisten nicht mehr verletzen darf. Aber das Original-Video und die vielen anderen Interpretationen, Remixe und Verfremdungen davon sind trotzdem im Netz unterwegs. Alles verrückt, irgendwie. Aber auch gut..
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Techno macht glücklich - der Fotobeweis

Eine Gruppe jugendlicher Partygänger auf einem Foto von Werner Amann aus seinem Buch Ein neues Buch, das sich mit der Techno- und Rave-Kultur der 90er beschäftigt. „Noch eins?“, könnte man sich fragen. Und habe ich mich auch gefragt. Aber das ist nicht nur einfach ein "ich jetzt auch"-Buch, sondern ein ganz besonderes. "Kein morgen" heißt es, die Fotos darin stammen von Werner Amann. Und ein paar Texte finden sich auch darin, die hat der Schriftsteller Leif Randt verfasst.

Wer die Techno- und die Rave-Kultur für eine Jugendkultur hält, liegt mehr oder weniger richtig: Wer zu Techno in den Clubs und auf den Festivals feiert, ist nach wie vor eher jung (klar, nicht immer, aber so tendenziell schon). Aber die Musik und das, was sich drumherum abspielt, gibt es natürlich schon seit Jahrzehnten. Höhepunkt des Ganzen in Deutschland: Sicherlich die 90er, sichtbar gemacht durch Massenveranstaltungen wie die Loveparade in Berlin. Werner Amann ist Fotograf, ist damals in der Szene unterwegs gewesen und hat dabei etliche Fotos geschossen – in einer Zeit, in der noch nicht jeder eine Kamera im Handy dabei hatte. Jetzt also hat Amann einen Bruchteil dieser Fotos in dieses Buch gepackt.
Read and rave on nach dem Klick ...

Komm mit ins Technoland!

Logo der Ausstellung Ist schon eine komische Sache mit dem Techno und der Clubkultur: Wenn man irgendwie dabei mitmischte, schwang immer das Gefühl mit, man würde sich eher in der Zukunft als in der Vergangenheit befinden. Aber schon Mitte der 90er gab es parallel dazu den Blick zurück, in die "Anfangstage" der Ravezeit, in die aufregenden ersten Jahre, in eine vermeintlich bessere, echtere, authentischere Zeit. Das hat natürlich eher zu- als abgenommen. Und auch wenn die Clubkultur immer noch floriert (oder wieder in der Post-Pandemie-Zeit), gibt es auch die Musealisierung von Techno: Alles schon lange da und damit es auch nicht vergessen wird, steckt man die Vergangenheit ins Museum oder in die Ausstellung. Read and rave on nach dem Klick ...

Ein Film über den legendären KitKatClub

Neonschriftzug auf schwarzem Grund: Do What You Love / Foto von Milo Lin bei UnsplashInteressant: Demnächst soll ein Dokumentarfilm über den Berliner KitKatClub kommen. Gemacht hat ihn der österreichische Filmemacher Philipp Fussenegger, der, das nur am Rande, in Berlin das Cybrothel-Puppenbordell gegründet hat. Ja, ein Bordell, in dem man Sex mit ziemlich lebensnahem Puppen haben kann. Das Interesse am KitKat, das ja seit seiner Gründung für die Verbindung von Sex Positivity und Clubmusik steht, dürfte also nicht nur rein dokumentarisch sein, sondern eher persönlich. Ehrlich gesagt: Eine Doku über das KitKat im Jahr 2022 bzw. 2023 finde ich eher nicht so spannend. Aber andererseits gibt es ja bestimmt jüngere Menschen, die die Geschichte des KitKats gar nicht kennen und die das vielleicht doch ganz spannend finden. Nächstes Jahr also soll er kommen, der Film "KitKatClub - das Leben ist ein Zirkus". Und es soll vor allem um die Leute gehen, die ihn aufgebaut haben und am Leben halten. KitKat … kennste nicht? Dann ist vielleicht dieses Interview hier ganz interessant: ein Gespräch mit Simon Thaur und Kirsten Krüger im Tagesspiegel.