Der DJ von heute - Künstler oder Dienstleister?

Flower
Der Diskjockey als Beruf - seit mindestens 80 Jahren gibt es Leute, die ihr Geld mit dem Musikauflegen verdienen! Mancher Jugendliche glaubt, DJ sei ein Traumjob, aber das heißt noch lange nicht, dass der Discjockey hundertprozentig gesellschaftlich akzeptiert ist. Und das weiß ich aus eigener Erfahrung. DJ, so will es nämlich das Klischee, ist ein netter Nebenberuf für vor allem männliche junge Nichtsnutze, die noch nicht wissen, was sie aus ihrem Leben machen sollen. Schön, wenn der ein oder andere dabei zum Großverdiener wird. Aber das macht es ja noch nicht zur Kunst.
Oder vielleicht doch? Eins jedenfalls steht fest: Wenn DJ und Publikum grundsätzlich unterschiedlicher Auffassung darüber sind, was die Rolle des Auflegers betrifft und wie er die Musik auszuwählen habe, wird es schwierig, selbst für gestandene DJ-Helden. Denn wer hat das letzte Wort? Der DJ als „Künstler“ oder die, die für die Musik bezahlen? DJ Shadow gilt als Pionier und Meister des Auflegens – und wurde dennoch jüngst bei einem Gig in Miami vom Betreiber einer Nobel-Disco die Tür gesetzt.
Bekannt wurde DJ Shadow, mit 40 Jahren nicht mehr ganz so jung, als er vor über zehn Jahren ein Album veröffentlichte, dass ganz und gar aus der Musik von anderen bestand – ein Flickenteppich aus hunderten Gesangs- und Musiksamples. Ähnlich legte Shadow auch im Club „Mansion“ im amerikanischen Miami auf. Es kam zum Eklat: Mitten in seinem Set näherte sich einer der Club-Verantwortlichen und rief ihm ins Ohr, doch bitte abzubrechen – seine Musik sei „too future“ – zu konfus, zu weit draußen, zu futuristisch. Sie hörte sich nämlich, wie wir inzwischen dank des von Shadow zur Verfügung gestellten Mitschnitts wissen, SO an:



„Too future“, das meint natürlich vor allem eins: Zu wenig kommerziell. Und auch in Miami stellte sich damit wieder die Frage nach der Aufgabe eines DJ. Denn was ist er denn nun: Ein Dienstleister, der die Wünsche seines Publikums erfüllen muss? Oder ein Künstler, der experimentell vorgehen darf und den Dancefloor erziehen muss? Die Wahrheit liegt natürlich wie so oft genau in der Mitte. Nichts ist langweiliger als ein „DJ Kalle“ oder „DJ Robbie“, der Hit an Hit an Hit reiht und sich wundert, dass er nicht schon längst so ein großer Star wie der von ihm so verehrte David Guetta ist. Solche DJs sind natürlich meist an dem Ort zu finden, der sie verdient, in der Dorf- oder der Großraumdisco. In anderen Clubs hängt auch schon mal ein Schild „Wer Gangnam Style auflegt, bekommt Hausverbot.“ – anders sind diese notorischen Nervensägen und Gute-Laune-Heuchler auch nicht zu bremsen – sie verstehen einfach nicht, was einen gelungenen Abend ausmacht: DJ und Publikum unternehmen gemeinsam eine musikalische Reise – und beide beeinflussen einander dabei. Denn es gibt ja – und da wären wir am anderen Extrem angelangt - auch kaum etwas Anstrengenderes als einen Schallplattenalleinunterhalter, dessen erklärtes Ziel es ist, immer und für alle Zeiten dem Underground zu huldigen. Der die obskursten Platten, die schrägsten Sounds spielt – und wenn sich der Tanzflur leert oder gar nicht erst voll wird, dann die Schuld einzig und allein beim „unwissenden“ Publikum sucht. In England würde so ein „unwissendes Publikum“ im Gegenzug einen alten Klassiker anstimmen: Hang The DJ.“
Der schief gelaufene DJ-Shadow-Auftritt in Miami hat übrigens fast all diese Aspekte zusammengebracht: Ein Teil des Publikums war sauer, dass er nicht die dort gewohnte kommerzielle Club-Musik gespielt hat. Ein anderer Teil war sauer, dass Shadow sein Set absetzen musste. Und die Clubbetreiber entschuldigten sich bei dem legendären DJ – so etwas werde nie wieder passieren. Wenig überraschend die jüngste Mitteilung in dieser Sache: DJ Shadow will weitermachen wie bisher.