Der Klang der Familie

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Was der Planet hier rechts zu suchen hat? DER Planet eigentlich nichts, aber ein Planet schon: So hieß nämlich vor gut 20 Jahren einer der spannendsten Clubs, die Berlin zu bieten hatte. Ja, ein Techno-Club. Er spielt eine kleine Rolle im Buch „Der Klang der Familie“, das Svent VT und Felix Denk gerade veröffentlicht haben: Berlin, Techno und die Wende, heißt es im Untertitel. Die Geschichte der elektronischen Tanzmusik nicht nur in Deutschland. Und fast alle kommen sie zu Wort, die damals ein Wörtchen mitzureden hatten. Dr. Motte, Westbam, Tanith, Paul van Dyk, Mijk van Dijk, Rok, Jauche, Wolle XDP und viele viele andere.
„Der Klang der Familie“, das ist eigentlich ein Track von 3Phase und Dr. Motte, der Anfang der 90er entstand. Nicht immer eine schöne Geschichte, wie sich die beiden miteinander stritten und auch mit der Plattenfirma - auch das erzählt das Buch. Bzw. die Protagonisten selbst, denn aufgebaut ist das ganze als „Oral History“ - Interviews, die auseinandergerupft wurden und thematisch neu zusammengefasst. So, als redeten sie alle miteinander, jeder aus seiner Sichtweise.
Techno und elektronische Musik war damals auch schon irgendwie Teil meines Lebens. Auch deshalb finde ich „Der Klang der Familie“ so spannend. Aber auch, weil ich viele der Geschichten - und auch einige der Erzähler - bislang nicht kannte. Ziemlich interessant, wer sich da von wem übers Ohr gehauen fühlte, wie das los ging mit den kleinen und großen Clubs, wie manche der Betreiber zeitweise buchstäblich im Geld standen, wie (und wem) die Idee zur Loveparade kam, warum Frankfurt eher Disco und Berlin eher Keller war, wie kleine Imperien gegründet wurden, um dann wieder einzufallen. Anstehen beim Plattenhändler und die Hand heben, wenn man eine gerade eingetroffene Platte haben will? Auch das gab es damals, Ende der 80er, Anfang der 90er.
Nur ein kleines Zitat von Clé (später Märtini Brös): „Wir haben in Clubs gespielt, die keinem gehörten, in Stadtteilen, für die niemand zuständig war, in Gebäuden, die es laut Grundbuch gar nicht gab.“
Tausend Geschichten, die man hier nicht erzählen kann. Dafür gibt es schließlich das Buch. Eines aber fand ich besonders aufschlussreich (und das zieht sich wie ein roter Faden durch die Stories): Die, die man heute noch kennt, die großen DJs, die großen Clubbetreiber, hatten meist auch eine große Klappe. Und immer jemanden, auf den sie sich verlassen konnten. Echte Macher, die nicht redeten, sondern loslegten. Ohne die wäre alles anders gekommen. Trotzdem spricht niemand mehr von ihnen - außer „Der Klang der Familie“. Später Gerechtigkeit, sozusagen.

Sven von Thülen und Felix Denk: Der Klang der Familie. Berlin, Techno und die Wende. Suhrkamp, 14,99 €. 424 Seiten.