Die Schweiz liebt Techno

Man kann über die Love Parade natürlich denken, was man will. Ich habe da in den letzen Jahren (also als sie noch in Berlin war bzw. überhaupt noch war) einige der besten Samstage und einen der schlimmsten überhaupt erlebt. Gestern ist in Zürich das Schweizer Gegenstück zur Love Parade, die Street Parade, passiert. Es soll geregnet haben, mehrere hunderttausend Menschen (wenn man den einschlägigen Zeitungen glauben darf, eben keine Menschen, sondern Raver) waren wohl da und die Sanitäter haben einige von ihnen wegen Unterkühlung behandelt. So weit, so schön.

Auch interessant: Aus Anlass des „Techno-Spektakels“ (die gehen immer irgendwie Hand in Hand, die Raver und die Techno-Spektakel) gibt es einige Artikel, die sich vom Plakativen entfernen und in Sachen Techno ganz nachdenklich werden. Zwei haben es mir besonders angetan: Im Tages-Anzeiger philosophiert Jean-Martin Büttner darüber, wie Rock und Techno doch
irgendwie zueinander gefunden haben. Zuerst liest es sich so, als wollte er noch einmal aufwärmen, dass Techno ja mal angetreten war, um den Rockstar abzuschaffen und dann doch die DJs Anonymität und Gleichmacherei hinter sich ließen, um zu DJ-Stars … bla bla bla, gähn.

Aber dann wird´s doch noch ganz gut: Techno entlarvt den Rockmythos der Authentizität, wir lesen von der Geschichte der Techno-Musik, die eine Geschichte der Instrumente und Herstellungmethoden ist. Und dann … taucht auf einmal Madonna auf. Was die da soll? Keine Ahnung. So wie es dort steht, ergibt es keinen richtigen Sinn.

Die Basler Zeitung überrascht mit ähnlich ernster und für Tageszeitungen ungewohnt Insider-mäßiger Techno-Begeisterung:
Klassiker, die man kennen muss! In der Online-Ausgabe mit fünf kurzen Soundbeispielen (jeweils 30 Sekunden). Was total seltsam ist: Die Auswahl der Klassiker, die man kennen muss, stimmen in Audio und Text nicht überein: Der Artikel fängt an mit ein paar Infos zu Kevin Saunderson und Derrick May. Dann wird Carl Craig erwähnt, dann das belgische Label R&S und die Detroiter Label-Compilations von Underground Resistance. Und die Sounds? Da hören wir Derrick May nicht, dafür Laurent Garnier, Jeff Mills und Aphex Twin. Gar nicht schlecht, aber irgendwie … unbefriedigend. Wo bleibt denn da die Liebe zum Detail (nein, nicht das Plattenlabel, sondern die Grundeinstellung!)? Das Versprechen, das im Vorspann gegeben wird („Viele Techno-Klassiker sind vergriffen. Wer sich den Kanon trotzdem beschaffen will, braucht Zeit - und einiges Vorwissen. Wir präsentieren eine Auswahl bedeutender Werke - mitsamt Audioclips.“), wird nicht gehalten. Gemein!