Zum zweiten: Moderat! Die Drei von der Bassstelle

Flower
Noch mal in länger: Ich und Moderat!
Wenn drei Freunde zusammen eine Reise unternehmen, dann ist das einer zu viel oder einer zu wenig: Weil sich nämlich immer zwei gegen einen verbünden. So ist das auch bei Gernot Bronsert, Sebastian Szary und Sascha Ring, die sich, wenn sie zu dritt Musik machen, Moderat nennen. Moderat produzieren nebeneinander, miteinander, übereinander und gegeneinander – und wenn zwei etwas blöd oder überflüssig finden, dann fliegt es raus, auch wenn da unter Umständen zuvor ewig dran gearbeitet wurde.
Offenbar ist das alles ziemlich anstrengend. Und zwar so sehr, dass man 2008 zwar ein gefeiertes Album zustande brachte, aber auf eine Fortsetzung lange keine Lust mehr hatte. Kein Wunder, bei der gemeinsamen Arbeit war es beinahe zur Prügelei gekommen. Vor ein paar Monaten dann die überraschende Nachricht: Man sei wieder im Studio und arbeite am zweiten Album. Jetzt ist es da, nennt sich, nicht sonderlich einfallsreich betitelt, „II“ und es ist ziemlich gut. Die drei ehemaligen Kellerkinder des Techno agieren darauf als echte Band, wie sie ihre schweren Rhythmen und leichten Melodien zusammenbringen, ist meisterhaft und Sascha Ring scheint sich als Sänger nicht nur mehr zuzutrauen, sondern wirklich etwas zu können. Moderat, diese „Electronic Supergroup“, hat also wieder geliefert.
Supergroup? Bronsert und Szary bilden normalerweise das Techno-Duo Modeselektor, Sascha Ring steht hinter dem Electronic-Projekt Apparat. Modeselektor plus Apparat gleich Moderat, so die einfache Formel und bislang war auch die Rollenverteilung klar: Modeselektor haben den größten Wumms, Apparat dagegen präsentiert sich als Klangtüftler und Pop-Poet, als Feingeist und Frickler. „Das sind wir“, sagt Sascha Ring. Aber eben nur „aus der Ferne betrachtet.“ Schaut man genauer hin, dann erkennt man hier drei individuelle Produzenten, von denen jeder alles kann. Es gibt keinen Boss, keinen Diktator, vieles wird ausdiskutiert und dann ist irgendwann alles zu viel, denn: „Du willst ja eigentlich Musik machen, nicht reden.“

Ring kommen die gemeinsamen Monate als Moderat trotz aller Anstrengung wie Ferien vor. Oder zumindest wie eine gemeinsame Reise, ein Urlaub von den anderen Projekten. Gernot Bronsert erkennt noch etwas anderes: das Dreiergespann beruhe auf einer Freundschaft, „die ein bisschen tiefer geht; wie Brüder.“ Alle drei hätten musikalisch gesehen die gleichen Wurzeln: Nicht Nirvana und Green Day, sondern eben Detroiter Techno und Acid aus Holland: „Unser neues Album ist auch eine moderne Technoplatte, denn das ist die einzige Musik, die wir machen können.“
Die Betonung liegt auf „modern“. Diverse Stile von zart bis hart werden auf „II“ zusammengeführt, die Bässe wabern ganz tief, so wie es der Dubstep in den letzen Jahren gelehrt hat. Nicht unbedingt ideal für die schwachen Lautsprecherboxen eines Computers. Aber selbst wenn man sie leise abspielt, gehen die elf Stücke, die zwischen Track und Song hin- und herpendeln, ins Ohr. Die drei Musiker sind als Produzententeam echte Könner.

Insider werden sich vielleicht beklagen, dass der Sound von Moderat im Jahr 2013 nicht mehr ganz so originell und einzigartig ist, wie man das bislang gewohnt war: So hört sich ihr 10-Minuten-Stück „Milk“ nach dem loop-basierten Techno des Schweden Axel Willner alias „The Field“ an, im melancholisch angehauchten Popsong „Let in The Light“ singt Sascha Ring wie „The Weeknd“. Bei anderen Stücken kann man sich an Four Tet erinnert fühlen und auch Dubstep-Star Burial hat seine Spuren hinterlassen. Große Namen, für die man sich nicht schämen muss. Im Gegenteil, vielleicht ist das sogar ein Zeichen für ein größeres Selbstbewusstsein: Der Dilettant klaut bekanntlich bei einem, der wahre Künstler lässt sich von vielen inspirieren. Und lässt dann etwas ganz eigenes entstehen. Moderat machen auch kein Geheimnis daraus: Ja, man habe sich am Computer einen gemeinsamen Ordner eingerichtet, jeder habe dort Musik, die ihn interessiert habe, hineingestellt und dann sei das in die neuen Songs eingeflossen – oder auch nicht. Dieses Selbstbewusstsein hatte sich in den letzten Jahren auch schon in den Einzelprojekten angedeutet: Von anderen – zum Beispiel von Radiohead-Sänger Thom Yorke - lernen, ohne sich selbst dabei kleinzumachen. Mit Ernst an die Musik herangehen, aber dabei nicht als Wichtigtuer daher zu kommen. Pop und Techno miteinander verschmelzen lassen und zwar, auch wenn die Band selbst behauptet, es gebe auf dem neuen Album keine Grundstimmung, sehr atmosphärisch. Musik für einen Film, der wohl nie gedreht wird. Sebastian Szary hält das auch für den roten Faden im Tun von Moderat: „Was die erste mit der zweiten Platte verbindet: eine gewisse Tiefe der Sounds. Es geht was cinematic-mäßiges ab.“

Berlin jedenfalls kann sich bei diesen Musikern bedanken: Moderat, die in aller Welt bekannt sind, zeigen auf „II“, dass Techno aus der Hauptstadt sehr viel mehr ist als der funktionale, aber nicht sonderlich anspruchsvolle Mainstream-Sound eines Paul Kalkbrenners. Und auch relevanter als das sentimental-rückwärtsgewandte „Götterstrassen“-Album eines Westbam. Sie dürften damit mehr für die Stadt und ihren guten Ruf getan haben als jede staatlich gesteuerte Werbekampagne. Be a Kopfnicker, be a Bassdrum, be Berlin – be Moderat.