Der tanzende Plastikbecher

Flower
Das da auf dem Foto sind C2C, vier Franzosen, die auf ihren CD-Spielern scratchen und auf ihren Effektgeräten effekten (oder wie auch immer man das nennen soll) und insgesamt eine ganz schöne Mischung aus Electro, Hip Hop, Disco und dem ganzen anderen Scheiß hinbekommen. Gerade eben (Mittwochabend) haben sie im holländischen Groningen einen von zehn EBBA gewonnen (EBBA heißt European Border Breakers Awards und ist für Bands, die die Grenzen ihres Heimatlandes überschreiten und auch außerhalb bekannt werden). Ich war bei der Preisverleihung in Groningen, die von der englischen Fernsehfratze Jools Holland moderiert wurde, dabei. Und habe beim Auftritt von C2C die Videokamera angehabt. Aber nicht die Band, sondern die Plastikbecher auf der Bar haben mich interessiert.
Denn der Sound in der Halle war ziemlich gut. „Bassig“ könnte man vielleicht auch sagen. Zwar verstehe ich nicht ganz die Zeitverschiebung, mit der die Becher anfangen zu tanzen, aber es hat bestimmt was mit Physik zu tun. Und während das nur ein paar Sekunden lange Video läuft (gerne auch wieder und wieder), gibt es hier noch einige Worte, die ich schon vor einiger Zeit über C2C aufgeschrieben, aber bislang noch mit niemandem geteilt habe.

C2C at EBBA (European Border Breakers Award) make vendig cups jump from Martin Boettcher on Vimeo.


Also: Vor gar nicht so langer Zeit waren Plattenspieler das Nonplusultra in den Clubs – DJs legten ihre meist schwarzen Scheiben auf, einige von ihnen mixten und scratchten und manipulierten ihre Platten so sehr, dass daraus schließlich eine Art eigene Sportart entstand: turntablism – die Kunst, mit Hilfe eines Mixers und der Platten völlig neue Musikstücke zu kreieren – der Plattenspieler als eigenes Instrument. Aus dieser Turntablist-Szene kommen C2C, vier junge Männer aus dem französischen Nante. Ihr Debütalbum Tetra ist jetzt auch bei uns erschienen – und was dort zum Beispiel wie ein klassischer Bluessongs anfängt, entpuppt sich als handfeste Electro-Pop-Nummer mit Scratch-Effekten.

Tetra gelangte in den französischen Charts nach ganz oben, es ist ein wilder Ritt durch Zeiten und Musikstile. Man kann das natürlich ganz und gar affig finden, wenn eine Band – Achtung, jetzt kommt eine lange Liste! – Funk, Soul, Blues, Jazz, Electro, Hip Hop, Turntablism, Pop, Disco, Dance, Gospel und noch so einiges mehr vermischt. Aber C2C vermengen diese Stile nicht wahllos, sondern immer mit einem Ziel, nämlich dem Groove. Außerdem packen sie nicht immer gleich alles in einen Song, sondern nehmen sich nur das, was sie gerade brauchen. Und drittens sind die Franzosen wirklich sehr fähige Produzenten – das alles so minutiös und funktionierend hinzubekommen, dürfte einiges an Zeit gekostet haben. Ein Haar in der Suppe habe ich trotzdem gefunden: Auf Albumlänge hat die Musik von C2C etwas von Cola: Bis zum geht nicht mehr mit Zucker oder vielleicht auch mit Süßstoff angereichert! Man kennt die Sounds und Riffs und Drumbeats, aber eben nicht in dieser Dichte, nicht in diesem Zusammenspiel, nicht so aufgeblasen und nicht so zwingend. Um es mal mit einem Rummelplatzbesuch zu vergleichen: Tetra ist wie eine gleichzeitige Fahrt mit Achterbahn, Geisterbahn und Autoscooter, bei der man Unmengen von Zuckerwatte und Brause in sich reinschüttet. Also ein großer Spaß, bei dem einem am Ende schlecht werden könnte.