Fotoverbot in der Fotoausstellung

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Auf den ersten Blick erscheint es ein bisschen seltsam: Im „C/O Berlin hat gerade eine Ausstellung eröffnet mit dem vielsagenden Titel „No Photos on the Dancefloor“. Zu sehen: jede Menge Fotos. Auch von Menschen auf der Tanzfläche. Also eine Fotoausstellung mit Fotos, die es eigentlich gar nicht geben sollte? So ähnlich. Es geht drain um Berliner Clubs und ihre Geschichte von 1989, also vom Jahr der Maueröffnung, bis heute. Ich habe mich mit einigen der vertretenen Fotografinnen und Fotografen unterhalten über das, was man da sieht.
Was für ein Foto! Ein Bild wie ein explodierender Tuschkasten, in glänzendem Gelb und strahlendem Rosa, mit funkelnden Discokugeln, jeder Menge Konfetti, begeisterte, ja euphorische Menschen. Aufgenommen im Jahr 2007 in der Berliner „Bar25“. Die Fotografin: Carolin Saage. Sie durfte als einzige in diesem mittlerweile längst geschlossenen legendären Feierort Bilder machen – für alle anderen herrschte Fotografierverbot. Und sie sagt: „Also die Discokugeln ist eines meiner anstrengendsten Bilder gewesen. Weil man muss sich vorstellen, man hat tausend Menschen, die in einer Tonne Konfetti baden, Federn fallen vom Himmel, Crazyiness, Selbstdarsteller, Nackte, Angezogene.“

„No Photos on the Dancefloor" also heißt die Ausstellung im C/O Berlin, die vor allem Fotos aus dem Berliner Clubleben von 1989 bis heute zeigt. Die erwartbaren Motive – Raver auf der Tanzfläche, der DJ bei seiner Arbeit hinter den Plattenspielern – sind aber gar nicht so oft zu sehen. Dafür Überraschendes, Untypisches: Unscheinbare Ladenfassaden etwa, hinter denen sich vor Jahrzehnten die Clubkultur breitmachte. Die Ruinen des Subkulturtempels Tacheles. Jede Menge alte Flyer. Abstrakte Videobilder, die gut zu den elektronischen Klängen von House und Techno und Electro passen. Verschwitzte Musiker wie Peaches oder Chilly Gonzales direkt nach einem Auftritt, nicht euphorisiert, sondern leer in die Kamera starrend. Mit ausgedacht hat sich diese „No Photos on the-Dancefloor“-Ausstellung Heiko Hoffmann. Der frühere Chefredakteur der Zeitschrift „Groove“ ließ sich dabei von der Tatsache inspirieren, dass in vielen Berliner Clubs ein striktes Fotografierverbot gilt:
„Und tatsächlich gab es dieses Fotoverbot schon lange vor dem Berghain oder lange bevor es auch Smartphones gab, also auch schon in den 90er Jahren in Clubs wie dem Tresor oder Planet und zwar aus zwei Gründen. Zum einen, weil man das im Moment erleben sollte, die Clubnacht, und nicht irgendwie an das Morgen denken sollte und zum anderen auch weil der Club ein geschützter Ort sein soll, in dem jeder sich frei bewegen und ausleben können soll und vor den Blicken von außen geschützt sein soll.“

So ganz ohne Feiernde geht eine Ausstellung über Berliner Clubkultur natürlich nicht. Wolfgang Tillmanns zeigt eine Reihe von Fotos von der Tanzfläche. Euphorie und Langeweile stehen dabei nebeneinander, auf dem einen Bild wird wilde Körperlichkeit gefeiert, auf dem anderen fast schon lethargisch auf dem Boden gehockt. Der Club, auch das wird bei dieser Ausstellung deutlich, kann eben beides sein: Wohnzimmer oder Lasterhöhle. Heiko Hoffmann: „Eine Arbeit, die mir auch sehr gut gefällt, ist von einem israelischen Künstler, Eres Israeli heißt der, Stempelwald heißt die Arbeit. Und der hatte vor ein paar Jahren einen Künstleraustausch mit Norbert Bisky, hat die Ateliers getauscht, und ist über mehrere Wochen lang ins Berghain gegangen und hat sich jedes Mal den Stempel geben lassen, hat sich danach den Stempel tätowieren lassen, ein Foto davon gemacht und nach einigen Wochen sind dann seine Arme dann halt zugewachsen mit diesen Stempeltattooos. Und ich finde das eine tolle Arbeit, weil es die Leidenschaft und das Fantum von einem israelischen Künstler zeigt und gleichzeitig darauf anspielt, dass nur eine Generation vorher viele jüdische Opfer des Holocaust gab, die ihre Gefangenennummern aus den Konzentrationslagern unfreiwillig eintätowiert wurden.“

Krasse Irritation also – auch dafür ist der Dancefloor gut. Es sind nicht nur Fotos zu sehen in dieser Schau. Sven Marquardt, berühmter Türsteher im berühmten Berghain-Club und auch Fotograf, zeigt Bilder in einer Black-Box-Installation, zu der der Techno-Produzent Marcel Dettmann eine Soundschleife geliefert hat. Es wird Live-Auftritte geben, unter anderem wohl von Berlins Afterhour-Party-Legende Ricardo Villalobos, die den Ausstellungsort in einen temporären Club verwandeln wollen. Im Mittelpunkt steht natürlich trotzdem die Frage: Wann ist ein Clubfoto ein gutes Clubfoto? Ben de Biel, von Anfang an als Clubbetreiber und Fotograf Teil der Szene, hat da seine eigene Meinung: „Die einen würden sagen: es muss Ekstase zeigen, es könnte aber auch diePhilosophie des Rausches sein, es könnte aber auch ein ganz ruhiges am Morgen sein. Ich glaube, für Berlin, wäre ein interessantes Clubfoto, Räumlichkeiten von außen zu sehen, denen man nicht anmerkt, was sich dahinter verbirgt und wie irre das eigentlich ist.“