Pantha du Prince, Techno-Alien

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Hendrik Weber, so viel vorweg, führt einen permanent auf die falsche Spur. Das fängt mit seiner Musik an und hört noch lange nicht auf, wenn der Mitdreißiger nach einstündigem Interview aufsteht und sich als richtig großer Mann entpuppt. „Sitzzwerg“, schießt es einem durch den Kopf, aber nur kurz. Denn die intelligente und selbstreflexive Art von Weber verbietet solche Albernheiten eigentlich: „Ich habe nun mal Klang als mein Instrument der Informationsvermittlung gewählt, nicht das Wort“, sagt er, und kann doch ausdauernd über seine Musik reden. Aufgeklärt und verwirrt zugleich lässt er seinen Gesprächspartner, also mich, zurück.
Hendrik Weber ist DJ und Produzent elektronischer Musik, doch die Welt kennt ihn nicht unter seinem richtigen Namen und auch nicht unter seinen Pseudonymen Panthel oder Glühen 4, sondern vor allem als Pantha du Prince. „Das ist alte Techno-Schule. Das Subjekt soll hinter der Musik verschwinden“, erklärt der 1975 in Kassel geborene Musiker die Tatsache, dass trotz vieler Artikel, die sich mit ihm und seiner Musik auseinandersetzen, nur wenig über ihn als Person bekannt geworden ist.

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Immerhin so viel ist ihm noch zu entlocken: In Nordhessen ist er aufgewachsen, die Mutter war Klavierlehrerin, also natürlich wurde er mit Musik groß. Tischler hat er gelernt, Kulturwissenschaften studiert, er lebte in Köln, Hamburg und Paris, seit zwei Jahren wohnt er fest in Berlin. Hendrik Weber war einmal Bassist bei der Hamburger Band Stella, als Pantha du Prince hat er mittlerweile drei Alben veröffentlicht.

Schon das erste, Diamond Daze aus dem Jahr 2003, zeigte, dass Weber eine präzise Vorstellung von seinem Techno hatte: Sehr präzise, aber nicht stumpf. Weich, aber nicht kitschig. Minimal, aber nicht simpel. Drei Jahre später kam das zweite Album, The Bliss. Immer noch sehr präzise, gesellte sich zu den spartanisch angeordneten Beats des Debüts eine nachdenkliche, entrückte Stimmung. Vorbild für die Anmutung der Songs fand Phanta du Princes in seiner große Leidenschaft, dem britische Shoegazer-Rock der 90er. Letztes Jahr dann das Meisterwerk Black Noise, bei dem, unter anderem, auch Panda Bear vom Animal Collective mitarbeitete. Für Black Noise bekam Pantha du Prince den so genannten Kritiker-Echo. Eine wirkliche Auszeichnung, denn im Gegensatz zu den anderen Echo-Musikpreisen hat der Kritiker-Echo nichts mit Verkaufszahlen zu tun. Sondern mit echtem Respekt. Respekt vor dem, was Pantha du Prince musikalisch geschaffen hat: Techno, den alle mögen. Sogar Menschen, die Techno gar nicht mögen.
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Ein kurzer Rückblick: Mitte der 90er Jahre tauchte inmitten der sich rasch diversifizierenden elektronischen Musik der Begriff IDM auf - Intelligent Dance Music. Der Versuch, sich mit Anspruch vom immer härter werdenden Techno und dem immer flacher werden Trance abzugrenzen. Rein musikalisch hat Pantha du Prince mit der IDM nicht viel gemeinsam. Von der Geisteshaltung aber schon: Er spricht von der Perversion, die mit dem Musikmachen am Computer einhergeht. Und von seinem eigenen Ehrgeiz, Geschichten mit Hilfe von Musik erzählen zu können. Zeitweilig war er dabei mehr Maschine als der Computer. Bevor er selbst aufhörte und sich ausruhte, gab der Computer den Geist auf. Die Zeiten, da der Computer nicht mehr kann, sind mittlerweile vorbei. Doch noch immer sagt Weber: „Die Kunst will etwas von mir, was mir vielleicht gar nicht gut tut!“

Mit Black Noise ist Pantha du Prince der Technowelt ein wenig entwachsen. Es erscheint auch nicht mehr bei seinem bisherigen Hamburger Label „Dial“, sondern in England bei „Rough Trade“, berühmt geworden für Post Punk und Indie Rock der späten 70er und frühen 80er, nicht für elektronische Musik. Label-Chef Geoff Travis höchstpersönlich soll Pantha du Prince zu sich geholt haben, ganz begeistert von dem, was er auf „The Bliss“ gehört hatte. Geplant war ein solcher Schritt vom deutschen Produzenten nicht, aber trotzdem willkommen: „Man bekommt eine ganz andere Aufmerksamkeit, wenn man auf so einem Label releast“. Und auch hier wieder eine falsche Spur: Das Cover von Black Noise schmückt ein Gemälde, zu sehen ist eine landschaftliche deutsche Idylle, der Watzmann, der Königssee, eine pittoreske Kapelle. Doch die Stimmung des Covers auf die Musik zu übertragen, damit darf man Hendrik Weber nicht kommen: „Ich wäre da sehr vorsichtig. Mit Romantik, die viele dort hineininterpretieren, hat das nicht zu tun.“ Vielleicht hat er sogar Recht, hinter „Black Noise“ steht eine düstere Geschichte. Für das Album nahm Weber in der Schweiz Naturgeräusche auf, die sich immer wieder in den Tracks wiederfinden. Und zwar nahm er sie auf in einer Gemeinde, die vor 150 Jahren von einem Erdrutsch verschüttet worden war. Katastrophe und Idylle liegen nah beieinander.
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Nicht jedem wird sich das erschließen. Trotzdem: Menschen, die mit elektronischer Musik sonst nicht viel anfangen können, empfehlen Black Noise als ihr Lieblingsalbum, sie spricht das Warme und Weiche an. Mitunter heißt es sogar, solche Musik könne nur jemand machen, der mit sich und der Welt im Reinen sei. Hendrik Weber widerspricht: „Was ist die Welt? Ich weiß nicht, was die Welt ist. Ich war immer ein Außenseiter, vielleicht ist meine Musik der Versuch, mich in die Welt zurückzuholen. Musik ist vielleicht das einzige Mittel, um Welt wahrzunehmen.“ Und noch eine falsche Spur: „Man kann nie von der Musik auf den Menschen schließen.“ Dabei kann man das bei Pantha du Prince sehr gut: Jeder einzelne Ton, jeder Beat, jeder Effekt, jedes Sample verrät, dass er sich sehr viele Gedanken nicht nur über sich, sondern auch über seine Musik macht. Eher weniger scheint er dabei aber den potentiellen Hörer im Kopf zu haben – das gegensätzliche Modell also zu Meistern der billigen Dancefloor-Funktionalität wie David Guetta. Pantha du Prince drückt auch das anders aus: „Wenn man wirklich gute Kunst machen will, dann kämpft man mit der Kunst, nicht mit der Frustration.“

Früher einmal war Pantha du Prince auch als DJ unterwegs. Doch diesen Job lässt er jetzt erst einmal ruhen, weil es eben doch zwei ganz unterschiedliche Dinge sind, das Spielen anderer Leute Musik oder das Aufführen der eigenen. Der DJ-Job lenke ihn nur ab vom Musikmachen. Und Ablenkung ist im Augenblick das letzte, was Pantha du Prince braucht. Ein neues Album ist in Arbeit. Und er arbeitet weiter an der Vision von elektronischer Musik als Kunst: The Bell Laboratory heißt sein neuestes Projekt, die Fusion von Neuer Musik und Techno seht im Mittelpunkt. Und wie der Name schon verrät: Es hat mit Glocken zu tun. Ende September ist er damit in der Berliner Galerie Vittorio Manalese zu erleben.

Wildkräutersalat und Tomatensuppe und Mineralwasser, später auch noch einen Tee bestellt sich Weber alias Pantha du Prince während des Interviews. Der Verlauf des Gesprächs, die intensive Diskussion darüber, was seine Musik vermag, lässt einen darüber nachdenken, ob auch diese Essensauswahl etwas Tieferes zu bedeuten hat. Vielleicht ja, wahrscheinlich nicht. Jedenfalls nicht so viel wie seine offensten Sätze an diesem Mittag: „Ich geh nicht sehr daccord mit der Welt. Ich fühle mich selber sehr fremd in dieser Welt, ich fühle mich als Alien, und versuche mit meiner Musik diese Fremdheit zu entkräften.“

Pantha du Prince tritt am 10. September 2011 Uhr beim Berlin Festival auf.