Zombies sind Pop!

Flower
Z. O. M. B. I. E. – Zombie! Eigentlich müsste man davon ausgehen, dass schon alles über die Untoten, die unbändigen Hunger auf Menschenfleisch haben, geschrieben wurde, seit Regisseur George A. Romero seinen ersten Zombiefilm „Night of the living dead“ 1968 in die Kinos brachte. Ist es aber nicht – im Gegenteil, der Strom an Filmen, Videospielen und Büchern reißt nicht ab. Jetzt erscheint ein weiteres Buch: Stolz und Vorurteil und Zombies: Aufstieg der lebenden Toten von Steve Hockensmith. Noch einmal ein Mischmasch aus Jane-Austen-Geschichte und Zombie-Roman. Und Grund genug, darüber nachzudenken, warum Zombies auch als Kulturartikel einfach nicht sterben wollen.
Ein bisschen erinnert er ja an die Frau aus der Haarspray-Werbung von früher, der Zombie: Montagmorgen in London – die Attacke sitzt. Mittags in Hollywood: der Angriff stimmt. Abends in Berlin: der Überfall passt. „Wenn in der Hölle kein Platz mehr ist, dann kehren die Toten auf die Erde zurück“, dichtete Romero einst. In der Hölle muss es sehr, sehr voll sein: so viel Zombie wie in den letzten Jahren war nie: Film nach Film nach Film gelangt in die Kinos, Videotheken, Elektronikmärkte. In unserem Rücken wandeln verkleidete Zombiewalker durch die Großstädte, Videospiele greifen von links an, Comics von rechts – und in der Mitte bricht auch noch die, nun ja, ernst zu nehmende Literatur durch: Jane Austen trifft Zombieterror. Untot ist Pop!
Was wäre, wenn die Zombieseuche tatsächlich einmal ausbräche? In Kanada gibt es Professoren, die das tatsächlich durchrechnen: Eine Stadt wie Hannover wäre innerhalb von vier Tagen hinüber. Robert Weber ist Autor. Er hat das erste deutsche Zombie-Radiohörspiel geschrieben. Er muss es wissen: Warum sind Zombies Pop? „ Anders als in Freitag, der 13. ist es nicht ein Mörder, es sind auch nicht fünf Monster, die auf einen losgehen, sondern es sind tausende, hunderttausende, Millionen. Und das weltweit. Wohin geht man? Es gibt keinen Ort mehr.“ Und weiter: „Es ist deswegen ein Thema, weil sich viele nicht mehr lebendig fühlen, weil sie das Gefühl haben, dass ihre Mitbürger nicht mehr lebendig sind. Der Zombie ist absolut mitleidslos. Der ist ja keinen Argumenten mehr zugängig. Ich mein, du kannst gegen Nordkorea argumentieren, ob du da durchkommst oder nicht, aber du kannst noch mit ihnen sprechen. Mit nem Zombie kannst Du nicht mehr sprechen. Da kannst du nur noch weglaufen.“
Der Horrorfilmfan weiß, warum er seine Zombies so mag: It’s all in the head! Ungestört darf er darüber sinnieren, ob er in seiner Endzeitlaune lieber mit einem Samuraischwert oder einem Baseballschläger Schädel ab- und einschlagen würde. Mit dieser Lust am Horror kann man sogar Geld verdienen. Rene Walter ist mit seiner „Nerdcore-Seite“ einer der erfolgreichsten Blogger Deutschlands. Die Toten lassen ihn leben: „Zombies sind für mich das purste Monster. Der Zombie ist quasi nur eine Gegenthese zum lebenden Menschen. Als Figur völlig blank. Als Schreiber und Filmemacher kannst Du es als leeres Blatt Papier begreifen und daraus machen, was du willst.“
Der Ausbruch der Zombieseuche, das hat für den Fan etwas von einem ein Lottogewinn: die Langeweile des täglichen Allerleis ist von einem Augenblick zum anderen zu Ende. Dem Chef kannst du sagen, dass er dich mal kann, vorausgesetzt, er wurde nicht gegessen. Ach ja, die Zeit der Eheprobleme ist auch vorbei, sagt Robert Weber: „Du machst nichts falsch, was soll daran falsch sein, n Zombie umzubringen. Es kann sogar deine Frau sein – vielleicht wolltest du das schon immer machen. Es wird dich niemand anklagen. Das ist wie Ratten umbringen. Zombies sind ja nicht mehr, sogar weniger als Ratten. Die haben ja noch ein Bewusstsein, sind ziemlich intelligent. Der Zombie ist ja gar nichts mehr.“
Von Zombiefilmen lernen heißt übrigens siegen lernen: Dort ziehen die Überlebenden nie an einem Strang – und überleben deshalb auch nie lange. Filmkritiker Jörg Buttgereit, der selbst einige der obskursten Splatter-Streifen der deutschen Filmgeschichte geschrieben hat, steht dem „Zombies sind POP“-Gedanken deshalb auch sehr skeptisch gegenüber:„Dit war sozusagen wie Punkrock. War ja auch die gleiche Zeit, Ende der 70er Jahre war ich mit Punkvirus infiziert, wollte aufmüpfig sein und da waren Filme, in denen Köpfe explodieren, genau das richtige.“
Vielleicht ist das mit uns und den Zombies auch nur ein einziges großes Missverständnis: Zombies sind grausame, verfressene, stil- und maßlose Herdentiere, Alles, was uns von ihnen unterscheidet? Sie sind tot und wir leben. Aber das kann sich ja auch schnell wieder ändern.
P.S.: Sind Zombies ein Männerding?
Buttgereit:“Ja denk ich schon.“
Walter:“Ähh, nö!“
Weber:„Mit Sicherheit!“
Zombie: „Uaaaäääh!“
P.P.S.: Nicht wundern, das hier ist das bearbeitete Manuskript eines Radiobeitrags.