HGich.T machen Lecko Grande!

Flower
Theoretisch kann man über jede Band und jeden Musiker sagen, dass sich an ihr oder ihm die Geister scheiden - niemand kann alle auf seine Seite ziehen, das liegt nun einmal in der Natur dieser seltsamen Sache namens Geschmack. Trotzdem: An HGicht.T, einem Musikerkollektiv aus Hamburg, scheiden sich wirklich die Geister.
Das liegt wohl an ihren Songs, die teils Kinderlied, teils Schlager, teils Goa-Techno, teils Hörspiel sind. Es liegt an den Themen, die darin behandelt werden, gerne geht es um Fäkalien, Sex und Drogen, aber auch um Franz Kafka. Und es liegt auch an den wilden Live-Autritten, bei denen sich ein knappes Dutzend Menschen nackt, in Bauarbeiterwesten oder anderen Kostümen komplett gehen lässt und am Ende ein verstörtes oder auch komplett euphorisiertes Publikum zurücklässt.
Wer genau hinter dem Ganzen steckt? So ganz genau lässt es sich nicht sagen, auf jeden Fall sind dort eine Reihe von ehemaligen Kunststudenten zu finden, Physiker und Autoren sollen dabei sein. Und in einem der letzten ziemlich schrägen Videos, mit denen HGich.T bekannt geworden sind, spielt auf einmal Dietrich Kuhlbrodt mit. 80 Jahre alt, ehemaliger Oberstaatsanwalt, früher auch in Filmen von Christoph Schlingensief zu finden.
Alles nicht so hirnlos, wie es auf den ersten Blick scheint. Ich finde, dass sich da eine lange Linie ziehen lässt bis hin zu den Dadaisten, die vor hundert Jahren Europas bürgerliche Mitte verstörten: Damals gab es eine Revolte gegen die Kunst, initiiert von den Künstlern selbst, Auftritte, die gefestigte Ideale und Normen zerstören wollten, sinnfreie Lautgedichte und seltsame Tänze, die an das Verhalten von Geistesgestörten erinnerten und vor allem eins nicht sein wollten: Voraussehbar. Und das findet sich auch in Liedern von HGicht.T wieder. Es gibt Songs über Pipi und Kacka und AA, sehr infantil, aber eben doch noch provozierend. Denn darüber spricht oder singt man eigentlich immer noch nicht. Interessanterweise gibt es noch eine andere Ecke innerhalb der deutschen Musik, wo all das eine Rolle spielt, und das ist der Fäkalrap, eine Unterart vom Pornorap. Auch hier geht es ja vor allem um die Provokation, aber HGich.T verzichten erstens auf den aggressiven Unterton und kommen zweitens aus einer ganz anderen musikalischen Ecke, ursprünglich wohl mal aus der Goa-Trance-Szene.
Fazit: Man kann heute immer noch verstören und ein großes Spektakel veranstalten, was HGich.T live besser können als auf CD. Zwei Fragen jedenfalls, so schreibt das Musikmagazin Spex, werfen die Hamburger Dada-Musiker auf jeden Fall auf: Sollte es wirklich jedem erlaubt sein, Musik zu machen? Klar, wer wollte es verbieten? Und: Was ist heutzutage schon normal, was verrückt?