Und noch einmal: Loveparade

Flower
Jetzt also auch in Pro7 (nachdem schon bei Vox und dem WDR ähnliches lief) die Dokumentation ein Jahr nach der Katastrophe von Duisburg. „Todesfalle Loveparade – Was geschah wirklich?“ fragte sich der Sender erwartungsgemäß reißerisch. Im Film zu sehen und zu hören: Veranstalter und Fitnessstudio-Betreiber Rainer Schaller, Oberbürgermeister Adolf Sauerland, Sanitäter, Polizisten, Angehörige und Überlebende. Komisches Gefühl stellt sich beim Anschauen ein: Man schämt sich für die peinliche Musik, man schämt sich für die Werbung zwischendrin, man schämt sich auch für sich selbst.
Und das liegt vor allem daran, dass man so eine Dokumentation auch sieht, um unterhalten zu werden. Aber was für eine Art Unterhaltung soll das sein? Schließlich sind da vor einem Jahr 21 Menschen gestorben. Erstickt, zerdrückt. Und viele von denen, die in dem engen Tunnel nicht vor und nicht zurück konnten, leiden bis heute darunter.

Ich habe die beiden Dokumentationen von Spiegel TV und vom WDR, die bereits ausgestrahlt wurden, nicht gesehen. Aber nach dem, was die Sueddeutschen Zeitung darüber schrieb, ist wohl klar: Man kann diese Katastrophe journalistisch auf ganz verschiedene Arten aufbereiten. Und weil für den Pro7-Film Focus TV verantwortlich ist, habe ich schlimmstes befürchtet. Es hielt sich dann aber in Grenzen: Ja, auch hier war unsägliche Musik als Stimmungsverstärker im Einsatz, die Doku ergötzte sich an der Trauer der Angehörigen, geilte sich an der Dramatik der Katastrophe auf. Und dass zwischendrin, in der Werbung, in fröhlichen Worten für die geile Dream Trance 60, für Martin Solveig und ähnlich lustige Themen Reklame gemacht wurde ... nun ja, dafür kann der Sender normalerweise nichts, der verkauft halt seine Werbezeiten. Aber er dürft schon die einschlägigen Stellen informiert haben, damit die überhaupt wussten, dass es um die Loveparade geht.

Die Sprecher, die die ganze Geschichte der Katastrophe noch einmal erzählen, die noch einmal klar machen, dass Veranstalter, Stadt und Polizei schuld sind, sind auch nicht gerade sehr passend ausgewählt worden. Focus TV halt.

Was noch? Auch ein wenig seltsam, dass der Film erzählt, dass die Polizei wohl einen ziemlich großen Anteil an der Schuld trägt. Doch dass Rainer Schaller, der Veranstalter, das ebenfalls so sieht und dafür einen Film hat zusammenstellen lassen, der online zu sehen ist, bemängeln sie. Na ja, vielleicht sogar zurecht. Aber ich kann mir nicht helfen: Ich mag den Focus nicht, ich mag Focus TV nicht. Ich mag aber auch den Schaller nicht, ich mag nicht den Oberbürgermeister Sauerland nicht, ich mag nicht die Polizisten, die in dieser Doku unfähig, überfordert und aggressiv erscheinen. Ich mag aber die Menschen, die zu Wort gekommen sind. Die das ganze überlebt haben, die ihre Kinder verloren haben und diese am liebsten zurückhaben wollen. Mich selbst mag ich gerade auch nicht so sehr. Es ist so leicht, selbstgerecht auf all das zu schauen. Gibt aber gar keinen Grund dafür.