Techno? Alles Nazis!

Fotografiert von Martin Böttcher
Das kennen wir alle: wann immer man mit Leuten zusammenkommt und eine Gruppe bildet, gibt es einen, der nervt. Nicht nur ein bisschen, sondern so richtig: alles wird in Frage gestellt, ständig wird auch das Banalste nachgefragt, komische Geräusche, Gerüche, Kommentare werden abgesondert. Kannste nichts machen, außer die Augen verdrehen und auf Durchzug schalten. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Horst Schmitt von „Die Linke“ so ein Typ ist: er hat einen feinen Antrag gestellt (Antrag 6, ab Seite 34), über den Mitte Februar der Parteitag seiner Vereinigung entscheiden soll – kurz gesagt möchte er, dass „Die Linke“ nicht mehr die „Internationale“ anstimmt, das Lied sei militaristisch, gewalt- und kriegsverherrlichend. Richtiger Antrag, sag ich mal, aber aus den falschen Gründen: eigentlich sollten Politiker grundsätzlich nicht singen dürfen, weil sie damit unsere Ohren angreifen und dabei jeglichen Respekt, den man vielleicht noch vor ihnen hat, zerstören. Aber das soll die machen, wie sie wollen. Was an Horst Schmitts Antrag aber so unglaublich dumm ist, ist die Art und Weise, wie er Musik definiert und einteilt – das hat in seiner Beschränktheit eine ähnliche Dimension wie das Musikverbot, das islamische Extremisten in Mali verhängten. Nehmen wir nur mal, was Horst Schmitt über Techno schreibt:
„Monoton rhythmische Musik findet sich beim Militär, und diente mit monotonen Trommelschlägen in der Geschichte beim Einsatz von Menschenschlachten. Sie ist Symbol des Kapitalismus, da es die Zählweise von Geld 1 Euro, 2 Euro, 3 Euro usw. Aber auch die Musikrichtung Techno gehört dazu, da dort die monotone technologische Zählweise 01 01 01 01 ... ist, woraus sich ein monotoner Musikrhythmus ergibt, der somit auch eine moderne Interpretationsform des Militarismus ist. Daraus erklären sich auch die Besucher von sogenannten Techno-Loveparades, die vorwiegend aus dem konservativen bis rechtspolitischen Spektrum kommen. Wer auf ein Techno-Konzert geht, geht nicht auf ein Rock-Konzert und anders herum genauso. Es sind zwei verschiedene Kultur- und kulturpolitische Welten. WÄHREND DIE BESUCHER VON TECHNO-KONZERTEN VORWIEGEND AUS DEM KONSERVATIVEN UND RECHTEN SPEKTRUM KOMMEN, SIND DIE BESUCHER VON ROCK-KONZERTEN IM LINKSPOLITISCHEN BEREICH ZU HAUSE. Nicht ohne Grund haben auch Rechte Gruppierungen in Duisburg nach dem katastrophalen Vorfall mit 21 Toten für die Abwahl des Oberbürgermeisters plädiert.
Friedensmusik oder Friedenslieder, melodisch gesungen zu melodischer Musik, dagegen sind immer melodisch und sind damit linkspolitisch.“
Schönen Typen hat sich „Die Linke“ da ins Boot geholt, denn an dieser Argumentation stimmt so ziemlich gar nichts. Was zum Beispiel ist ein „Techno-Konzert“? Scooter? Oder das, was im Club passiert? Und war es nicht „Die Linke“, die 2011 in Duisburg eine „Aktuelle Stunde“ zur Loveparade-Katastrophe beantragt hatte? Ich zähle auch nicht 01 01 01 01, ich zähle 1,2,3,4,5,6,7,8. Übrigens: Technoarm ist im Zweifelsfall links.
Und aus gegebenem Anlass: Politiker, die sich für Techno einsetzen.